Gewaltandrohungen gegen Rettungskräfte
Ludwig: „Das ist nicht mehr hinnehmbar!“

Kolbermoor — Mittelfingergesten, Verbalbeleidigungen, Gewaltandrohungen: Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Kolbermoor sah sich bei ei­nem Ret­tungs­ein­satz in der Stoß­zeit erst­mals be­son­ders ri­gi­den Re­spekt­lo­sig­kei­ten ei­ni­ger Ver­kehrs­teil­neh­mer aus­ge­setzt. Ei­ne 20-jäh­ri­ge Rol­ler­fah­re­rin hat­te auf der Staats­stra­ße 2078 beim Zu­sam­men­prall mit ei­nem ent­ge­gen­kom­men­den Fahr­zeug schwe­re Ver­let­zun­gen er­lit­ten. Not­arzt und Ret­tungs­dienst muss­ten sie an der Unfall­stel­le me­di­zi­nisch erst­ver­sor­gen und dann ins Kran­ken­haus brin­gen. Im Be­rufs­ver­kehr bil­de­te sich wäh­rend der po­li­zei­li­chen Un­fall­auf­nah­me und Ber­gung kurz­zei­tig ein Stau. Die Freiwillige Feuerwehr re­gel­te den Ver­kehr. Da­für zeig­ten je­doch „zahl­rei­che“ Au­to­fah­rer kein Ver­ständ­nis und ga­ben ih­rem Miss­fal­len rabiat Ausdruck. Be­son­ders auf­fäl­li­ge Rü­pel will die Feuerwehr nun zur An­zei­ge brin­gen. Auch die Politik ist alarmiert.

„Wir opfern unsere Freizeit für die Sicherheit unserer Mit­men­schen und ma­chen das auch gerne“, be­tont der Kom­man­dant der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Kolbermoor, Franz Wudy. Bei ih­ren Ein­sät­zen ge­he es oft um die Ge­sund­heit und das Le­ben von Men­schen. Doch was sich am Mitt­woch, 13. Sep­tem­ber, nach dem Un­fall auf der Staats­stra­ße 2078 zu­trug, hat die Ret­tungs­kräf­te „ent­setzt“.

Eine Rollerfahrerin war aus Bad Aibling kommend in Richtung Kolbermoor un­ter­wegs, woll­te ge­gen 17.30 Uhr auf Hö­he der Pfarrer-Birnkammer-Straße nach links ab­bie­gen. Da­bei über­sah die 20-Jäh­ri­ge ein ent­ge­gen­kom­men­des Fahr­zeug, das von ei­ner 51-Jäh­ri­gen aus Bad Aibling ge­steuert wur­de. Sie stie­ßen im Kreu­zungs­be­reich zu­sam­men. Die Rol­ler­fah­re­rin er­litt schwe­re Ver­let­zun­gen, die Pkw-Fah­re­rin blieb un­ver­letzt. Der Mo­tor­rol­ler hat To­tal­scha­den, der Mazda 5.000 Eu­ro Sach­scha­den.

Die Freiwillige Feuerwehr wur­de zur Ver­kehrs­ab­si­che­rung und Rei­ni­gung der Fahr­bahn ge­ru­fen und fuhr mit Kom­man­do­wa­gen, Klein­alarm­fahr­zeug, Lösch­grup­pen­wa­gen und Mehr­zweck­fahr­zeug zur Ein­satz­stel­le. Dort si­cher­te sie die Un­fall­stel­le mit Ab­sperr- und Um­leit­maß­nah­men ab und setz­te für die ver­letz­te 22-Jäh­ri­ge ei­nen Sicht­schutz ein. Nach­dem der Ret­tungs­dienst mit der Ver­letz­ten die Ein­satz­stel­le ver­las­sen hat­te, muss­ten die Um­leit­maß­nah­men auf der stark be­fah­re­nen Staats­stra­ße so lan­ge auf­recht er­hal­ten blei­ben, bis die Polizei die zeit­auf­wän­di­ge Auf­nah­me und Ver­mes­sung der Un­fall­stel­le ab­ge­schlos­sen hat­te. Fahr­bahn­rei­ni­gung und Be­sei­ti­gung der aus­lau­fen­den Be­triebs­stof­fe dau­er­ten bis gegen 20 Uhr.

Einsatzkräften wurde Gewalt angedroht

„Leider mussten wir bei diesem Einsatz feststellen, dass auch uns die Wel­le von Re­spekt­lo­sig­keit, Be­lei­di­gun­gen und Ge­walt von Bür­gern ge­gen­über Ein­satz­kräf­ten nicht ver­schont“, schil­dert Wudy. „Zahl­rei­che Au­to­fah­rer zeig­ten we­nig bis gar kein Ver­ständ­nis für die ge­ring­fü­gi­gen Um­lei­tungs­maß­nah­men, zeig­ten un­se­ren Ein­satz­kräf­ten den Mit­tel­fin­ger, spra­chen Be­lei­di­gun­gen aus oder droh­ten so­gar mit kör­per­li­cher Ge­walt.“ Wudy ver­deut­licht, dies sei den Ein­satz­kräf­ten der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Kolbermoor in die­ser Form zum ers­ten Mal pas­siert. „Dem­ent­spre­chend sind wir sehr ne­ga­tiv über­rascht und ent­setzt“, so Wu­dy.

Der Kommandant fragt „die schwarzen Schafe unter den Autofahrern: Möch­ten Sie sich be­lei­di­gen las­sen, wenn Sie an­de­ren un­ent­gelt­lich hel­fen oder sich selbst in ei­ner Not­si­tua­tion be­fin­den und ih­re Hel­fer be­lei­digt oder be­droht wer­den?“ Wudy zu­fol­ge seien frei­wil­li­ge Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen „es­sen­ziell“ für die Ge­sell­schaft, oh­ne sie wür­de „das bei uns sehr gut funk­tio­nie­ren­de Sys­tem der Si­cher­heit und Ord­nung zu­sam­men­bre­chen“. Be­reits jetzt hät­ten die Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen Schwie­rig­kei­ten, aus­rei­chend frei­wil­li­ge Hel­fer zu fin­den: „Wa­rum soll­te es ir­gend­wann noch Men­schen ge­ben, die die­sen frei­wil­li­gen Dienst leis­ten, um sich dann in ih­rer Frei­zeit be­lei­di­gen oder be­dro­hen las­sen zu müs­sen?“

Strafanzeige wird erstattet

Die Rosenheimer CSU-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te und ers­te stell­ver­tre­ten­de Kreis­vor­sit­zen­de vom Rosenheimer Kreis­ver­band des Bayerischen Roten Kreuzes, Daniela Ludwig, ver­ur­teilt scharf das zu­neh­mend rück­sichts­lo­se und re­spekt­lo­se Ver­hal­ten von Au­to­fah­rern ge­gen­über Ein­satz­kräf­ten von Feuer­wehr und Ret­tungs­diens­ten: Die­ses Ver­hal­ten, nun auch in ih­rer Hei­mat­stadt Kolbermoor, sei „nicht mehr hin­zu­neh­men“. Die Po­li­ti­ke­rin zeigt „vol­les Ver­ständ­nis“ da­für, dass die Feuerwehr Kolbermoor An­zei­ge bei der Polizei er­stat­te: „Die Ein­satz­kräf­te leis­ten ei­nen wert­vol­len Dienst an der Ge­sell­schaft. Sie ha­ben es nicht ver­dient, da­für be­schimpft und be­lei­digt zu wer­den. Sol­chen Rü­peln auf der Stra­ße muss man die Gren­zen auf­zei­gen.“

Ludwig appelliert zugleich an die Autofahrer, ihr Verhalten zu überdenken. „Jedem kann es täg­lich pas­sie­ren, in ei­nen schwe­ren Un­fall ver­wi­ckelt und da­bei ver­letzt zu wer­den. Da ist man froh, wenn schnel­le Hil­fe kommt. Dass un­ser Ret­tungs­we­sen so gut or­ga­ni­siert ist, ist ein Ver­dienst der haupt­amt­li­chen und eh­ren­amt­li­chen Ein­satz­kräf­te. Ih­nen ge­bührt un­ser Dank und un­ser Re­spekt.“

Aggressionen und tätliche Angriffe gegen Einsatz- und Rettungskräfte
sind und müssen in unserer Gesellschaft ein No-Go sein.
Robert Kopp, Prä­si­dent des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd (PP OBS), 13. Mai 2019

„Zutiefst betroffen“ zeigt sich auch die Freiwillige Feuerwehr Bruckmühl, für wel­che Re­spekt­lo­sig­kei­ten, Be­lei­di­gun­gen und das An­dro­hen von Ge­walt ge­gen­über Ret­tungs­kräf­ten „ein ab­so­lu­tes No-Go“ sind. Die straf­recht­li­che Ver­fol­gung sol­cher Vor­komm­nis­se sei „ei­ne ab­so­lu­te Not­wen­dig­keit“, er­klärt die Feuer­wehr auf Face­book. Un­ter­stützt wird dies durch das „Ge­setz zur Stär­kung des Schut­zes von Voll­stre­ckungs­be­am­ten und Ret­tungs­kräf­ten“. Da­nach wer­den nicht nur tät­li­che An­grif­fe auf Amts­trä­ger oder Bun­des­wehr­sol­da­ten mit Frei­heits­stra­fe von drei Mo­na­ten bis zu fünf Jah­ren be­straft. Be­straft wird auch, wer bei Un­glücks­fäl­len, ge­mei­ner Ge­fahr oder Not Hil­fe­leis­ten­de der Feuer­wehr, des Ka­tas­tro­phen­schut­zes oder ei­nes Ret­tungs­diens­tes durch Ge­walt oder durch Dro­hung mit Ge­walt be­hin­dert. Selbst wer durch Gaf­fen an ei­ner Un­fall­stel­le oder Blo­ckie­ren der Ret­tungs­gas­se auf der Au­to­bahn die Ver­sor­gung von Ver­un­glück­ten er­schwert, kann da­nach mit bis zu ei­nem Jahr Haft be­straft wer­den. 


Erstveröffentlichung

Print: Ro­sen­hei­mer blick, Inn­ta­ler blick, Mang­fall­ta­ler blick, Was­ser­bur­ger blick, 31. Jg., Nr. 38/2018, Sams­tag, 22. Sep­tem­ber 2018, S. 1f., Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ [177/3/2/11].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Diens­tag, 18. Sep­tem­ber 2018; ⭱ E-Paper Ro­sen­hei­mer blick, ⭱ E-Paper Inn­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Mang­fall­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Was­ser­bur­ger blick, Sams­tag, 22. Sep­tem­ber 2018. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2021.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker