Neuer Nahverkehrsplan für Stadt und Landkreis Rosenheim
Voit: „Verkehr neu denken“

Rosenheim — Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) soll stadt- und land­kreis­weit so­wie land­kreis­über­grei­fend ver­bes­sert wer­den. Dem dient ein um­fas­sen­des Mo­bi­li­täts­kon­zept für die Stadt und den Land­kreis Rosenheim. Es be­rück­sich­tigt al­le vor­han­de­nen Ver­kehrs­trä­ger und den Rad­ver­kehr so­wie die Ver­bin­dungs­ach­sen zu den Land­krei­sen Mühldorf a.Inn, Traunstein und Ebersberg. Der Rosenheimer Kreis­aus­schuss hat nach um­fang­rei­chen Vor­be­rei­tungs- und Ab­stim­mungs­ver­fah­ren ei­nen rund 230 Sei­ten um­fas­sen­den Ent­wurf zur Fort­schrei­bung des ge­mein­sa­men Nah­ver­kehrs­plans (NVP) für die kreis­freie Stadt und den Land­kreis ein­stim­mig ge­bil­ligt. Er be­in­hal­tet 33 Maß­nah­men und zwölf Prüf­auf­trä­ge. Da der Land­kreis Rosenheim star­ke Pend­ler­strö­me in den Raum München auf­weist, be­tei­ligt sich der Kreis­aus­schuss zu­dem über die Rosenheimer Ver­kehrs­ge­sell­schaft (RoVG) an ei­ner Grund­la­gen­stu­die zur Er­wei­te­rung des Münchner Ver­kehrs- und Ta­rif­ver­bun­des (MVV) um den Land­kreis Rosenheim.

„Die wirkliche Arbeit kommt erst noch“, weiss Kreisrätin Alexandra Burgmaier (SPD). So wird der NVP-Ent­wurf des von Rosenheim be­auf­trag­ten Kas­se­ler Pla­nungs­bü­ros „plan:mobil Ver­kehrs­kon­zep­te & Mo­bi­li­täts­pla­nung“ bis zur An­hö­rung im Au­gust zu­nächst noch von Städ­ten und Ge­mein­den, be­nach­bar­ten Auf­ga­ben­trä­gern, Ver­kehrs­un­ter­neh­men und Ver­bän­den be­ur­teilt wer­den müs­sen. Erst da­nach wird die über­ar­bei­te­te Fas­sung ⭲ im No­vem­ber end­gül­tig be­schlos­sen. Doch der ent­schei­den­de Schritt ist ge­setzt: Der wich­tigs­te vom Ro­sen­hei­mer Kreis­tag be­stell­te Aus­schuss, der mit Land­rat und 14 Kreis­rä­ten be­setz­te Kreis­aus­schuss, hat sein grund­sätz­li­ches Ein­ver­ständ­nis mit dem von plan:mobil er­ar­bei­te­ten Ent­wurf zur Fort­schrei­bung des ge­mein­sa­men Nah­ver­kehrs­plans für Stadt und Land­kreis Ro­sen­heim er­klärt. „Wir sind auf­ge­for­dert, die viel­schich­ti­gen The­men des Ver­kehrs neu zu den­ken“, be­grün­det August Voit (CSU), Kreis­vor­sit­zen­der des Baye­ri­schen Ge­mein­de­tags und Bür­ger­meis­ter in Ame­rang, die Not­wen­dig­keit ei­ner Neu­fas­sung des NVP. Voit zählt zu den „er­heb­li­chen De­fi­zi­ten im ÖPNV“ Lü­cken im nörd­li­chen Land­kreis Rosenheim, spe­ziell die der Stadt Wasserburg a.Inn und ih­res Um­krei­ses, so­wie die un­zu­rei­chen­de An­bin­dung der teils land­kreis­über­grei­fen­den Ver­bin­dungs­ach­sen. „Ei­ne gu­te Ver­net­zung mit den Land­krei­sen Mühldorf a.Inn, Traunstein und Ebersberg ist drin­gend er­for­der­lich“, be­tont Voit.

Nahverkehrsplan-Entwurf von plan:mobil

Nach Darstellung von Dr. Timo Barwisch, Gut­ach­ter von plan:mobil, ver­folgt der NVP-Ent­wurf acht Zie­le: ers­tens als Al­ter­na­ti­ve zum In­di­vi­du­al­ver­kehr den kon­ti­nu­ier­li­chen Aus­bau des Öf­fent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehrs in Stadt und Land­kreis Rosenheim, zwei­tens die Be­rück­sich­ti­gung in­no­va­ti­ver, be­darfs­ge­steuer­ter An­ge­bo­te, drit­tens die Be­sei­ti­gung von Er­schlie­ßungs- und Er­reich­bar­keits­de­fi­zi­ten so­wie die Stär­kung von Takt­ver­keh­ren, vier­tens die Stei­ge­rung der Be­nut­zer­freund­lich­keit im ÖPNV über Ta­rif­sys­tem und Fahr­gast­in­for­ma­tion, fünf­tens die Ver­bes­se­rung der Aus­stat­tung von Hal­te­stel­len und Ver­knüp­fungs­punk­ten, sechs­tens die Wei­ter­ent­wick­lung der Qua­li­täts­stan­dards im ÖPNV, sieb­tens die Her­stel­lung ei­nes bar­riere­freien ÖPNV so­wie ach­tens die Ver­bes­se­rung der Ko­opera­tion zwi­schen Ver­kehrs­un­ter­neh­men und Auf­ga­ben­trä­gern ei­ner­seits so­wie un­ter den Ver­kehrs­un­ter­neh­men andererseits.

Beim aktuellen Mobilitätsangebot stellt das Pla­nungs­bü­ro fest, das Netz vom Schie­nen­per­so­nen­nah­ver­kehr (SPNV) sei dicht und der Takt min­des­tens ein­mal stünd­lich. Das Re­gio­nal­bus­an­ge­bot wei­se wie­de­rum 60 Li­nien in über­wie­gend ei­gen­wirt­schaft­li­cher Re­gie auf. Das Bus­netz sei ra­dial auf die Zen­tren Rosenheim, Prien a.Chiemsee und Wasserburg a.Inn aus­ge­rich­tet, stark am Schul­ver­kehr orien­tiert, die Takt­fre­quenz lü­cken­haft und vom Be­darfs­ver­kehr er­gänzt. Die teil­wei­se noch ein­ge­setz­ten Hoch­flur­bus­se seien we­nig bar­riere­frei, die Hal­te­stel­len­aus­stat­tung im All­ge­mei­nen ver­al­tet, die Fahr­gast­in­for­ma­tion nicht im Zwei-Sin­ne-Prin­zip und die in­ter­mo­da­le Ver­knüp­fung aus­bau­fä­hig. Da­raus hat plan:mobil ein Maß­nah­men­kon­zept des­til­liert, das meh­re­re „Ba­sis­maß­nah­men“ emp­fiehlt, wel­che „zwin­gend er­for­der­lich sind, um wei­te­re Maß­nah­men rea­li­sie­ren zu kön­nen“. Hier­zu ge­hö­ren: die Er­tüch­ti­gung der In­fra­struk­tur Schloß­berg mit Bau ei­ner drit­ten Inn­brü­cke, die Bus­be­vor­rech­ti­gung mit­tels Licht­sig­nal­an­la­gen (LSA) an der Mün­che­ner Stra­ße, die Op­ti­mie­rung der Ein- und Aus­fahrts­re­ge­lun­gen am Re­gio­na­len Om­ni­bus­bahn­hof (ROB) so­wie die land­kreis­wei­te An­er­ken­nung von Bus- und Bahn-Fahr­kar­ten in­klu­si­ve E-Ticketing und trans­pa­ren­te Tarifstruktur.

Maßnahmenkonzept für Rosenheim

Im Landkreis Rosenheim sollen das Angebot des SPNV „ver­dich­tet“, der Be­die­nungs­zeit­raum aus­ge­wei­tet und die Fahr­plan­an­la­gen an­ge­passt wer­den. Der Zu­brin­ger­ver­kehr soll ver­stärkt und die Frei­zeit­li­nien aus­ge­wei­tet wer­den. Für Ro­sen­heim West wer­den sie­ben Maß­nah­men und ein Prüf­auf­trag na­he­ge­legt, um die Land­krei­se Mies­bach und Ro­sen­heim im ÖPNV zu ver­net­zen. Für Ro­sen­heim Nord sind neun Maß­nah­men und fünf Prüf­auf­trä­ge for­mu­liert, et­wa für den Li­nien­weg Was­ser­burg/Al­ba­ching/Haag/Dor­fen. Für Rosenheim Ost sind acht Maß­nah­men und zwei Prüf­auf­trä­ge vor­ge­se­hen, bei­spiels­wei­se die Ver­dich­tung des Be­dien­an­ge­bots der Li­nie 9498. Und für Rosenheim Süd schlägt plan:mobil neun Maß­nah­men und vier Prüf­auf­trä­ge vor, da­run­ter für den Li­nien­weg Rosenheim/Höhenmoos/Achenmühle/Samerberg/Nußdorf a.Inn/Brannenburg. Der Schie­nen­per­so­nen­nah­ver­kehr sieht un­ter an­de­rem den bar­riere­freien Aus­bau von Bahn­hö­fen und Hal­te­punk­ten vor, in Step­hans­kir­chen ei­nen Bahn­hal­te­punkt ein­zu­rich­ten, die In­fra­struk­tur der „Span­ge Kreuz­stra­ße“ aus­zu­bauen, die Bahn­hal­te­punk­te Raubling/Pfraundorf und Fischbach a.Inn zu re­ak­ti­vie­ren, den Fil­zen­ex­press zu be­schleu­ni­gen, zu ver­dich­ten und zu elek­tri­fi­zie­ren so­wie die Ver­bin­dung München/Kufstein ganz­täg­lich auf Halb­stun­den­takt umzustellen.

Das Konzept wird abgerundet durch neue Angebote im Bike & Ride, im Park & Ride und im Sha­ring­sys­tem. Die Maß­nah­men be­deu­ten jähr­lich ei­ne zu­sätz­li­che Be­triebs­leis­tung im Stadt­ver­kehr von 175.000 Ki­lo­me­tern, mit­hin Kos­ten von 787.000 Eu­ro, und für den Re­gio­nal­ver­kehr zu­sätz­lich 805.000 Ki­lo­me­ter, al­so 2,1 Mil­lio­nen Eu­ro. Hin­zu kom­men Auf­wen­dun­gen durch In­ves­ti­tio­nen in die In­fra­struk­tur, für Ver­wal­tung, Per­so­nal und Mar­ke­ting so­wie ei­ne mög­li­che Verbunderweiterung.

Bürgermeister Voit verspricht sich vom NVP-Entwurf, dass Pend­ler- und Ver­kehrs­strö­me ent­zerrt und die Bal­lungs­räu­me ent­las­tet wer­den. Da­zu sei „mehr Kon­takt mit den Nach­barn“ wich­tig, et­wa um land­kreis­über­grei­fend Rad­we­ge zu ver­bin­den. Die­sem Ge­dan­ken fol­gend be­tei­ligt sich der Land­kreis Ro­sen­heim über die RoVG an ei­ner Vor­stu­die, um die fi­nan­ziel­len Aus­wir­kun­gen ei­ner mas­si­ven Aus­deh­nung des MVV be­wer­ten zu kön­nen. Ver­kehrs­ver­bün­de gel­ten als we­sent­li­che Voraus­set­zung, um den mo­to­ri­sier­ten In­di­vi­du­al­ver­kehr deut­lich zu ver­rin­gern. Die Staats­re­gie­rung will lang­fris­tig den ge­sam­ten Frei­staat mit zehn bis zwölf Ver­bün­den ab­de­cken, was ei­ne Aus­deh­nung der be­ste­hen­den be­deu­tet. Die Vor­stu­die soll „Durch­ta­ri­fie­rungs- und Har­mo­ni­sie­rungs­ver­lus­te“ bei ei­ner In­te­gra­tion Ro­sen­heims in den MVV-Ta­rif­raum ermitteln. 


Erstveröffentlichung

Print: Ro­sen­hei­mer blick, Inn­ta­ler blick, Mang­fall­ta­ler blick, Was­ser­bur­ger blick, 32. Jg., Nr. 29/2019, Sams­tag, 20. Ju­li 2019, S. 1f., Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ (Kurz­fas­sung) [187/3/1/7].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mitt­woch, 17. Ju­li 2019; ⭱ E-Paper Ro­sen­hei­mer blick, ⭱ E-Paper Inn­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Mang­fall­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Was­ser­bur­ger blick, Sams­tag, 20. Ju­li 2019. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2024.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker