Chauffeur-Affäre mündet in Online-Petition
Widerstand gegen AfDler als „Sachbearbeiter Asyl“

Mühldorf a.Inn — „Tre­ten Sie zu­rück!“, for­dert Oliver Multusch von Land­rat Georg Huber. Der Mühldorfer Kreis­vor­sit­zen­de der „Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD)“ und Bun­des­tags­di­rekt­kan­di­dat im Wahl­kreis 212 Altötting und Mühldorf a.Inn kri­ti­siert das Ver­hal­ten des CSU-Po­li­ti­kers harsch als „ei­nes baye­ri­schen Land­ra­tes völ­lig un­wür­dig“. Grund ist der Streit um Hubers Ver­set­zung des Chauf­feurs Martin Wieser, be­grün­det mit des­sen Mit­glied­schaft in der AfD. Die ju­ris­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung da­rum en­de­te vor dem Amts­ge­richt Mühldorf mit ei­nem Ver­gleich. Pi­kan­tes De­tail der Ei­ni­gung: Wieser ar­bei­tet nun im Land­rats­amt als Sach­be­ar­bei­ter in den Be­rei­chen Asyl und Re­gis­tra­tur. Da­ge­gen wen­det sich jetzt die Online-Pe­ti­tion ei­ner ehren­amt­lich in der Flücht­lings­hil­fe en­ga­gier­ten Frau aus Lauf a.d.Pegnitz.

Landrat Georg Huber hatte im Fe­bru­ar sei­nen lang­jäh­ri­gen Fah­rer und Fuhr­park­ma­na­ger Martin Wieser we­gen des­sen Funk­tion als Bei­sit­zer im AfD-Kreis­vor­stand Mühldorf frei­ge­stellt und in den Bau­hof ver­set­zen las­sen. Von sei­nen 25 Jah­ren im Land­rats­amt hat­te Wieser bis da­hin 15 Jah­re als Fah­rer des Land­rats ge­ar­bei­tet, ei­ge­ner Aus­sa­ge nach „im­mer ehr­li­che und zu­ver­läs­si­ge Ar­beit“ ge­leis­tet. Sei­ne Ver­set­zung emp­fand das Per­so­nal­rats­mit­glied als „scho­ckie­rend“.

Rechtsradikalismus und der politische Arm des Rechtsradikalismus, die AfD,
sind ein wirkliches Problem in Deutschland.
Annegret Kramp-Karrenbauer, MdB (CDU), Bundesvorsitzende der CDU und
Bundesministerin der Verteidigung im Kabinett Merkel IV, 13. Oktober 2019 (dpa/38CD87)

Beim Gütetermin am Amts­ge­richt Mühldorf im Mai er­klär­te Rechts­an­walt Michael Peterlik in Ver­tre­tung des Land­krei­ses, das Ver­trauens­ver­hält­nis zwi­schen Huber und Wieser sei zer­rüt­tet. Grund: Die AfD sei po­li­ti­scher Geg­ner der CSU. Eine Ei­ni­gung kam nicht zu­stan­de, die Ver­hand­lung vor der Kam­mer wur­de für Ende Ju­li an­ge­setzt. Doch be­vor die Kam­mer über die Zu­läs­sig­keit der Ver­set­zung ent­schied, ei­nig­ten sich bei­de Sei­ten auf ei­nen Ver­gleich. Die­sem fol­gend wird Wieser nun nach Be­sol­dung und Ver­wal­tungs­recht in gleich­wer­ti­ger Stel­lung im Land­rats­amt ein­ge­setzt: seit 1. Au­gust als Sach­be­ar­bei­ter in den Be­rei­chen Asyl zu 70 Pro­zent und in der Re­gis­tra­tur zu 30 Pro­zent. Der drei­fa­che Fa­mi­lien­va­ter wird hier­für mit­tels Ver­wal­tungs­lehr­gang qua­li­fi­ziert. Wie bei Ar­beits­ge­richts­pro­zes­sen in ers­ter In­stanz üb­lich, tra­gen bei­de Sei­ten zu glei­chen Tei­len die Kos­ten.

Multusch: „Große Genugtuung“

„Ich kann damit gut leben, denn ich muss nach dem gan­zen Hin und Her auch nach vor­ne schauen“, zeig­te sich der 47-jäh­ri­ge Wieser nach der Ei­ni­gung zu­frie­den. Das Land­rats­amt hält sich in­des­sen be­deckt: Zu Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten und den ge­nauen In­hal­ten der zu­künf­ti­gen Tä­tig­keit wer­den kei­ne Aus­künf­te er­teilt. AfD-Bun­des­tags­di­rekt­kan­di­dat Oliver Multusch ver­langt je­doch noch eine Ent­schul­di­gung des Land­ra­tes bei Wieser „für das Un­recht, das er ihm in sei­ner will­kür­li­chen Art zu­ge­fügt hat“. Seit der Ver­set­zung ha­be Mühldorfs Land­rat kein Wort mehr mit dem ehe­ma­li­gen Chauf­feur ge­wech­selt. Multusch be­wer­tet den Aus­gang des Streits po­li­tisch aber als „gro­ße Ge­nug­tuung für al­le auf­rech­ten De­mo­kra­ten“.

Die AfD ist nicht auf dem Weg, eine bessere und ehrlichere CDU zu werden.
Die AfD ist auf dem Weg, die wahre NPD in Deutschland zu sein.
Dr. Markus Söder, MdL (CSU), Ministerpräsident des Freistaates Bayern,
12. Oktober 2019 (dpa/38B5AC)

In­des­sen wendet sich die Online-Petition ei­ner ehren­amt­lich in der Flücht­lings­hil­fe en­ga­gier­ten Frau aus Lauf a.d.Pegnitz ge­gen die „nicht nach­voll­zieh­ba­re“ Ei­ni­gung: Die AfD und ihre Mit­glie­der seien als ent­schie­de­ne Asyl­geg­ner be­kannt, be­sagt die Er­klä­rung, die AfD Mühldorf ma­che kei­ne Aus­nah­me. „Ei­ne faire und neu­tra­le Arbeit mit Asyl­su­chen­den ist durch die­sen Mit­ar­bei­ter nicht zu er­war­ten, da­her soll­te er in ei­ne an­de­re Ab­tei­lung des Land­rats­am­tes ver­setzt wer­den.“ Die Online-Pe­ti­tion „Kein AfD-Po­li­ti­ker als Sach­be­ar­bei­ter für Asyl­recht“ läuft bis zum 26. Sep­tem­ber. Soll­te sie bis da­hin 24.000 Un­ter­schrif­ten aus Bayern er­rei­chen, will die Platt­form openPetition den Land­tag um eine Stel­lung­nah­me er­suchen. Nach einer Woche hat­ten 423 Un­ter­stüt­zer un­ter­zeich­net, 303 da­von aus Bayern. 


Erstveröffentlichung

Print: Inn-Salz­ach blick, 9. Jg., Nr. 31/2017, Sams­tag, 5. Au­gust 2017, S. 1f., Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ [106/3/–/8].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Don­ners­tag, 3. Au­gust 2017; ⭱ E-Paper Inn-Salz­ach blick, Sams­tag, 5. Au­gust 2017. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2024.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker