Australier entspannt auf der 67. Frankfurter Buchmesse
Buchmarkt stabilisiert sich
Frankfurt/Main — Kühl und regnerisch draußen, entspannt und verdichtet drinnen: Die Frankfurter Buchmesse war auch in diesem Jahr mit 7.100 Ausstellern aus über 100 Ländern, rund 276.000 Besuchern, darunter 140.000 Fachbesucher, über 4.000 Veranstaltungen und rund 9.900 anwesenden akkreditierten Journalisten und Bloggern die weltgrößte Fachmesse für das internationale Publishing.
Die Digitalisierung hat die Buchbranche in der letzten Dekade umgewälzt. Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse war jedoch die Stabilisierung der traditionellen Geschäftsmodelle handgreiflich: Die Marktverschiebung weg vom stationären hin zum Online-Handel hat an Tempo eingebüßt, die Marktverschiebung weg von gedruckten hin zu digitalen Produktformaten hat sich – anders als in der Fachpublizistik – im Publikumsbereich verlangsamt. Selfpublisher und kostenfreie Bibliotheksangebote sorgen allerdings für ziemliche Unschärfen beim E-Book-Segment.
Die etablierten Marktteilnehmer umarmen zunehmend das gewachsene Selfpublishing. Der mit E-Books und Selfpublishing verbundene Druck auf die Preise lässt etwas nach. Die strategische Antwort auf Amazons Dominanz im Online-Buchhandel heißt Multichannel-Angebot und Handelsallianz: Im E-Book-Bereich sind nun alle großen Filialisten bei der Tolino-Allianz einschließlich die via Libri eingebundenen Standorthändler. Mit dem Eintritt von Amazons Konkurrenten Tolino und Random House in den Selfpublishing-Markt haben die Eigenverleger die größten Bastionen der Branche erobert.
Die Frankfurter Buchmesse ist zudem branchenübergreifender Treffpunkt für Player aus der Filmwirtschaft und der Gamesbranche. Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildet seit 1976 der jährlich wechselnde Ehrengast, in diesem Jahr Indonesien, das dem Messepublikum auf vielfältige Weise seinen Buchmarkt, seine Literatur und Kultur präsentierte. ⭲ Ehrengast 2016 sind Flandern und die Niederlande. Eigene Veranstaltungen gab es für Food-, Handmade- und Buchblogger, die sowohl als Kreative wie auch als Konsumenten eine Bereicherung fürs Publishing darstellten.
Australien: Buchverkäufe steigen
Australien präsentierte sich ausgeglichen, denn erstmals seit Jahren steigen Down Under wieder die Buchverkäufe. Laut Nielsen BookScan wurden 2014 mit 55,4 Millionen Büchern 937 Millionen Dollar umgesetzt. Im Jahr 2013 waren es noch 54,1 Millionen Bücher und 917 Millionen Dollar. Dies ist zwar sehr viel weniger als die 1,3 Milliarden Dollar Umsatz in 2010, doch die neuen Zahlen beinhalten nicht die E-Book-Verkäufe, weil in Australien diese bislang nicht zuverlässig erfasst werden. Zumindest scheint das „Sterben des Buches“ und der Buchgeschäfte abgelöst zu werden von regelmäßigen Buch-Festivals und Preisverleihungen, die eine zunehmende Zahl von Interessierten anziehen. Im Einzelhandel bleiben die „Indies“, die unabhängigen Buchhandlungen, eine wichtige Stütze des australischen Buchmarktes.
Vergangenes Jahr veröffentlichten 3.815 australische Publizisten 20.877 neue Titel, ein leichter Rückgang zu 2013 mit 28.234 Buchtiteln. Nach Jahren des Rückgangs wurden 2014 aber erstmals wieder mehr gedruckte Bücher produziert: nach 51 Prozent in 2013 nun 54 Prozent in 2014. Digitalformate, darunter E-Books, sanken von 29 Prozent in 2013 auf 20 Prozent in 2014. Laut BookScan kauften die Australier zu rund 44 Prozent Nonfiction, 24 Prozent Fiction und 31 Prozent Kinderbücher.
Die Frankfurter Buchmesse 2015 setzte schließlich auch politische Akzente: „Die angespannte weltpolitische Lage hat sich direkt und unüberhörbar auf das Geschehen im Literaturbetrieb niedergeschlagen“, begründete Buchmesse-Direktor Jürgen Boos diese Prägung. Und Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, resümierte: „Die Buchbranche hat klar Position für die Meinungs- und Publikationsfreiheit bezogen, die als Menschenrecht unverhandelbar ist, und damit weltweit ein Zeichen gesetzt.“ ✻
Erstveröffentlichung
Print: Die neue Woche in Australien, 58. Jg., Nr. 43/2015, Dienstag, 27. Oktober 2015, S. 10, Kolumne „Australien/Deutschland“ [116/5/3/3, drei Fotos].
Online: ⤉ woche.com.au, Dienstag, 27. Oktober 2015. Stand: Neujahr, 1. Januar 2025.