150 Jahre Herbstfest Rosenheim
Bauer: „Vui Vergnügen und a scheene Zeit“
Rosenheim — Geselligkeit, Gemütlichkeit, Gaudi: Rosenheim feierte das 150. Jubiläum seines Herbstfestes mit aufsehenerregenden Höhepunkten. Die „sympathische Wiesn für die ganze Familie“ bot 17 Tage lang eine bemerkenswerte Mischung aus bayerischer Tradition und Lebensweise, kulinarischen Gaumenfreuden und rasantem Fahrspaß.
„O’gricht is!“ und im Festzelt herrscht allabendlich Hochstimmung. Auf der Bühne spielt eine bekannte regionale Musikkapelle, auf den Sitzbänken singen ausgelassen Burschen und Dirndln, in den zwei bis fünf Meter breiten Gassen schlängeln sich freudetrunkene Wiesnbesucher. Durch die zumeist in Trachtenmode gekleidete Menschenmenge ebnet gelegentlich Wachpersonal den Kellnerinnen mit ihren bis zu 13 gefüllten Maßkrügen einen Weg.
Alle Plätze sind besetzt. Wohin man schaut: Essen, Trinken, Genuss. Ein Bursche in gewachster Ledernen, Haferlschuhen und Trachtenhemd isst eine knusprig gebratene Schweinshaxe mit Semmelknödel. Ein weiterer erfreut sich an Schweinswürstl mit Sauerkraut. Woanders steht Bayerischer Radi mit Schnittlauchbrot auf dem Tisch, daneben ofenfrischer Leberkäs mit hausgemachtem Kartoffelsalat. Eine Dame im farbenprächtigen Dirndl mit Samtbordüren, zarten Spitzen, tuffigen Satinschleifen und Wendeschürze genießt geschmorten Rindsbraten. Ihre Begleitung liebt Schweinebraten mit Semmelknödel, deftiger Dunkelbiersoße und Krautsalat. Dazu wird im Flötzinger Festzelt meist Wiesn-Märzen getrunken, das in diesem Jahr erneut die Goldmedaille der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e. V. (DLG) erhielt, obendrein den European Beer Star. Im Auerbräu-Festzelt und im angegliederten Wiesn-Biergarten wird das ebenfalls ausgezeichnete, süffige Herbstfest-Märzen ausgeschenkt. Dort gibt es neben bekannten Schmankerln wie Brathendl, knusprige Bauernente und Bräuteller auch Steckerlfische, überdies aus der Ochsenbraterei täglich frisch gegrillter Ochs vom Spieß. Schmackhafte Fischgerichte und Spezialitäten hält die Fischbraterei Bierbichler bereit: auf der ersten Etage im historischen Fischerlokal und parterre beim Fischstraßen-Verkauf.
An den 70 Fahrgeschäften herrscht reges Treiben. Das große Angebot bereitet Familien mit Kleinkindern ebenso Freude wie Jugendgruppen und der älteren Generation. Am Kettenkarussell und an der nostalgischen Rutschbahn „Toboggan“ stehen genauso lange Schlangen wie am Riesenrad, das einen herrlichen Blick sowohl auf die gesamte Loretowiese als auch auf das gebirgige Alpenvorland bietet. Spätestens beim „Booster Max“ brauchen die Fahrgäste aber starke Nerven, denn sie werden in seinen zwei rotierenden Gondeln innerhalb von drei Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt.
Grüße nach Australien
Obschon mit über einer Million Besuchern im gesamten südbayerischen Raum das größte Volksfest, bewahrt das Rosenheimer Herbstfest erfolgreich seinen Charakter als „idealer Treffpunkt für Jung und Alt“, freut sich Schirmherrin und Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (CSU). Und nach ihrem Anstich mit nur zwei Schlägen grüßt sie heuer wieder besonders die Australier in Rosenheim und die deutschen Auswanderer Down Under. Einen „herzlichen Gruß“ schickt zudem Theresa Freund, die fröhliche Miss Herbstfest 2011, zum fünften Kontinent.
Dieses Jubiläumsjahr feierte Rosenheim ausgiebig: Der farbenprächtige Wiesneinzug begann einen Tag früher als sonst. Spektakulär war schon am ersten Wochenende der zwei Jahre lang vorbereitete „Historische Festzug“: Bei herrlich sonnigem Wetter begeisterten rund 1.200 aufwendig kostümierte Teilnehmer eines etwa ein Kilometer langen Zuges die zigtausend Schaulustigen. Präsentiert wurden sechs Zeitepochen von 1861 bis 2011 (die WOCHE berichtete). Weiterer Höhepunkt war das Erntedankfest am zweiten Wochenende mit dem feierlichen Gottesdienst unter freiem Himmel vor dem Altar am Nepomukbrunnen auf dem Max-Josefs-Platz. Viele Traditionsgruppen beteiligten sich wieder am eindrucksvollen Kirchenzug durch die Altstadt und am feierlichen Festzug zur Wiesn. Faszinierend war zudem das große „Brillant-Feuerwerk“ mit Begleitmusik.
Zu den Besonderheiten zählten außerdem die bereits im Mai eröffnete historische Ausstellung „Lockruf und Tradition“ im städtischen Mittertor sowie überlebensgroße Trommlerfiguren und Fahnen mit dem Jubiläumslogo, die die Innenstadt wochenlang schmückten. Für Andenkensammler gab es einen exklusiven Jubiläumsmasskrug in limitierter Auflage, Festzeichen, Plakate und Postkarten.
Auf der Wiesn begeisterten täglich traditionelle Kapellen aus dem Landkreis mit bester Unterhaltungsmusik, darunter die Blaskapelle Großkarolinenfeld, Hinterberger Buam, Musikkapelle Am Was’n, Bast Scho, Raffemooser Musikanten, Blechbriada, Dreder Musi, Musikkapelle Großholzhausen, Hans Dettendorfer mit seinen Musikanten sowie die Musikkapelle Sensenschmied Mühlbach. Gerade die Mühlbacher haben eine besondere Beziehung zu Australien: Sie haben den Kontinent schon bereist und in deutschen Vereinen gespielt. Ihre Tour bald wiederholen zu können, steht ganz oben auf ihrer Wunschliste. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Die Woche in Australien, 54. Jg., Nr. 39/2012, Dienstag, 27. September 2011, S. 17, Kolumne „Sonderseite“ [152/5/4/6, vier Fotos].
Online: ⤉ woche.com.au, Dienstag, 27. September 2011; ⭱ m-publishing.com, Mittwoch, 28. September 2011. Stand: Neujahr, 1. Januar 2023.