Zwischenfazit zur EU-Datenschutzgrundverordnung
Remmertz: „Furcht war übertrieben“
Brüssel / München — „Für Panik gab und gibt es keinen Anlaß“, betont Dr. Frank Remmertz, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und für Informationstechnologierecht. Dennoch bereitet die europäische Datenschutzgrundverordnung, kurz: EU-DSGVO, auch nach ihrem Inkrafttreten manchem Kopfzerbrechen, der personenbezogene Daten verarbeitet. Seinem Fachvortrag zum Zweck der EU-DSGVO im Mai folgend, erläuterte Remmertz zwei Monate später noch einmal im PresseClub München die neue Rechtslage. Sein Zwischenfazit fokussierte er auf die Auswirkungen der EU-DSGVO für Online-Medien und ergänzte es mit einer To-Do-Liste sowie einem Ausblick auf die anstehenden Neuregelungen durch den Vorschlag der EU-Kommission für eine E-Privacy-Verordnung.
Wegweiser
- Wirkung der EU-DSGVO schwer einzuschätzen
- EU-DSGVO Thema beim BJV und PresseClub München
- To-Do-Liste seit Inkrafttreten der EU-DSGVO
Wirkung der EU-DSGVO schwer einzuschätzen
90 Prozent der Menschen in Deutschland haben inzwischen von der EU-DSGVO gehört, besagt eine repräsentative Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut dimap im Auftrag des „Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI)“ Mitte Juli durchgeführt hat. Allerdings gibt hiervon weniger als die Hälfte (46 Prozent) der insgesamt 1.010 Befragten an, mit der Verordnung vertraut zu sein. Nach einer Einschätzung gebeten, ob die EU-DSGVO für eine Verbesserung des Schutzes personenbezogener Daten sorgt, muss jeder Zweite passen. Nur jeder Fünfte (20 Prozent) sieht positive Auswirkungen. Für 19 Prozent verbessert sich der Schutz nicht.
Besonders skeptisch zeigen sich der Umfrage zufolge Selbstständige: 62 Prozent von ihnen geben an, die Inhalte der EU-DSGVO zu kennen, 39 Prozent sehen in der Verordnung aber keine Verbesserung des Datenschutzes und 45 Prozent können die Auswirkungen nicht einschätzen.
EU-DSGVO Thema beim BJV und PresseClub München
Mitte Mai war der EU-DSGVO-Vortragsabend des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV) mit Rechtsanwalt Dr. Frank Remmertz im PresseClub München mit 90 Teilnehmern völlig ausgebucht. Rund 30 Medienschaffende und professionelle Kommunikatoren, die den ersten Termin mit RA Remmertz nicht wahrnehmen konnten, erhielten von ihm zwei Monate später im PresseClub ein Update zur EU-DSGVO. Remmertz, zu dessen beruflichen Schwerpunkten unter anderem die rechtliche Begleitung von Werbemaßnahmen und Internetauftritten, Medien- und Presserecht sowie die Vertragsgestaltung gehören, sprach diesmal zweieinhalb Stunden zum Thema „Habemus DSGVO – Auswirkungen der DSGVO für Online-Medien“. Begleitet von Helmut Gierke und Sascha Ihns vom PresseClub München beantwortete der Fachanwalt auch während seines Vortrags Rechtsfragen.
Remmertz erläuterte zunächst den ⭲ Anwendungsbereich der EU-DSGVO, ging dann auf die Rechtfertigung für das Verarbeiten von Daten ein inklusive Kopplungsverbot, erklärte die Änderungen zur bisherigen Rechtslage, stellte die Rechte von Betroffenen heraus, befasste sich sodann mit der ⭲ Verarbeitung von Bildnissen, dem ⭱ Medienprivileg und der Fortgeltung von Alt-Einwilligungen, um schließlich mit den Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung zu enden. Daumenregel: Im Zweifel ist die EU-DSGVO anwendbar.
Die Datenverarbeitung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken genießt auch weiterhin besonderen Schutz. So sind bestimmte mit der journalistischen Arbeit unvereinbare EU-DSGVO-Normen, insbesondere die Auskunftsrechte der Betroffenen und die Informationspflichten, ausgenommen. Inwieweit sich freischaffende Blogger im konkreten Fall auf das Presserecht berufen können, ist wiederum unklar. Remmertz stellt dazu fest: „Die Datenschutzbehörden sind derzeit völlig überfordert.“
Presseunternehmen sind dem Medienprivileg entsprechend bei der Datenverarbeitung zu journalistisch-redaktionellen Zwecken von den meisten datenschutzrechtlichen Pflichten und der Aufsicht durch Datenschutzbehörden freigestellt.
Sofern die in der Redaktion befindlichen Daten durch angemessene und wirksame technisch-organisatorische Maßnahmen gegenüber fremdem Zugriff von außen abgeschirmt sind und die Mitglieder der Redaktion das Redaktionsgeheimnis beachten, wird ihre Arbeit durch die DSGVO und die in ihrem Kontext erlassenen bzw. geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen in keiner Weise beeinträchtigt.
Das Medienprivileg gem. Art. 85 DSGVO ist kein Umgehungstatbestand, sondern der Garant für unverändert freie journalistische Arbeit.
RA Prof. Dr. Johannes Weberling, 10. Oktober 2019
Zwischenfazit nach zwei Monaten: „Die Furcht vor Abmahnwellen war übertrieben, sie sind ausgeblieben.“ Remmertz ergänzte aber, dass teilweise noch auf die ersten Gerichtsentscheidungen gewartet werde, um gewisse ⭲ Rechtsunsicherheiten zu beheben. So ist beispielsweise umstritten, ob die EU-DSGVO das Kunsturhebergesetz (KUG) verdrängt. Zumindest einer Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 9. Mai zufolge gilt das KUG weiterhin. Auch das Oberlandesgericht Köln sieht das KUG im journalistischen Bereich immer noch anwendbar (OLG Köln, Beschl. v. 18.06.2018 – 15 W 27/18). Wer aber bei Fotos auf „Nummer sicher“ gehen wolle, der müsse von den Abgebildeten eine ausdrückliche Einwilligung einholen, beispielsweise in der Sport- und Eventfotografie sowie bei Hochzeiten.
To-Do-Liste seit Inkrafttreten der EU-DSGVO
Onlinern empfiehlt der Fachanwalt dringend, Verfahrensverzeichnisse zu erstellen und Konzepte für Auskunft, Löschung, Datenportabilität und Datenpannen zu entwickeln. Die Datenschutzerklärung ist mit der EU-DSGVO in Einklang zu bringen. Wegen des Kopplungsverbots sind die Voreinstellungen bei Einwilligungen anzupassen. Alt-Einwilligungen sind zu überprüfen, im Zweifel müssen neue ausdrückliche Einwilligungen eingeholt werden. Schließlich ist das Web-Tracking zu kontrollieren und anzugleichen.
Die E-Privacy-VO werde 2019 die sogenannte E-Privacy-Richtlinie (2002/58/EU) einschließlich ihrer letzten Ergänzung durch die sogenannte Cookie-Richtlinie (2009/136/EU) ablösen. Als Verordnung ist sie wie die EU-DSGVO unmittelbar anwendbares Recht, wodurch nationale Vorschriften keine Anwendung mehr finden. Die E-Privacy-VO wird sowohl auf die klassischen Telekommunikationsdienste wie Telefon und E-Mail als auch auf moderne Dienste wie Bildtelefon und Messenger anwendbar sein und soll ein einheitliches Schutzniveau für Kommunikationsinhalte und -metadaten bieten. Der Entwurf hierzu ist laut Remmertz jedoch „rechtspolitisch sehr umstritten“ und das Verhältnis zur Datenschutzgrundverordnung unklar. ✻
Erstveröffentlichung
Online: ⭱ presseclub-muenchen.de, Dienstag, 31. Juli 2018. Stand: Neujahr, 1. Januar 2024.