Appell an die digital-kompetente Zivilgesellschaft
Krueger: „Digitale Transformation selbstbestimmt mitgestalten“

Kolbermoor — Be­zirks­par­tei­tag Oberbayern 2019.1 der Piraten­partei Deutschland, zehn Wo­chen vor der EU-Wahl 2019. In mei­ner Funk­tion als Po­li­ti­scher Ge­schäfts­füh­rer in Rosenheim er­läu­te­re ich in mei­nem Gruß­wort an die PIRATEN den Stand der Di­gi­ta­li­sie­rung in der Bun­des­re­pu­blik Deutschland und im Frei­staat Bayern, be­nen­ne die Bau­stel­len der di­gi­ta­len Trans­for­ma­tion und ap­pel­lie­re an die digital-kom­pe­ten­te Zi­vil­ge­sell­schaft, sich für ei­ne kon­so­li­dier­te und pro­ak­ti­ve Di­gi­tal­po­li­tik ein­zu­set­zen. Der Titel: „Ap­pell an die digital-kom­pe­ten­te Zi­vil­ge­sell­schaft: Digitale Transfor­ma­tion selbst­be­stimmt mitgestalten“.

Wegweiser

1. Einführung

Ahoi PIRATEN, werte Parteifreunde, sehr geehrte Gäste, ge­schätz­te Me­dien­ver­tre­ter! Der Kreis­ver­band Stadt und Land­kreis Rosenheim der Pi­ra­ten­par­tei Deutsch­land freut sich, Sie beim Be­zirks­par­tei­tag Ober­bayern 2019.1 in Kolbermoor be­grü­ßen zu kön­nen. Der heu­ti­ge Par­tei­tag der PIRATEN dis­ku­tiert den Tä­tig­keits- und Re­chen­schafts­be­richt 2018/2019 des am­tie­ren­den Be­zirks­vor­stan­des, be­fin­det mit Blick zu­rück über die Par­tei­ar­beit im Wahl­jahr 2018 und wählt mit Blick vo­raus den ⭲ 14. Be­zirks­vor­stand für das Wahl­jahr 2019 und die Amts­pe­rio­de 2019/2020.

Dieser Bezirksparteitag steht zugleich im Zeichen der neunten Di­rekt­wahl zum EU-Par­la­ment (EP) in Deutsch­land: Ge­ra­de ein­mal 235 Ki­lo­me­ter von Kol­ber­moor ent­fernt dis­ku­tie­ren der­zeit PIRATEN aus dem ge­sam­ten Bun­des­ge­biet auf dem 22. Bun­des­par­tei­tag in Nürnberg den Ent­wurf des „Common Euro­pean Elec­tions Pro­gramme“, kurz: CEEP, also das „Ge­mein­sa­me Eu­ro­päi­sche Wahl­pro­gramm“. PIRATEN aus 13 EU-Mit­glied­staa­ten ha­ben den Ent­wurf am 9. Fe­bru­ar in Lu­xem­burg ver­ab­schie­det und zu­gleich die Kam­pag­ne für die Wahl zum EP am 26. Mai ein­ge­läu­tet. Wich­ti­ge Punk­te hier­bei sind für uns: Sub­si­dia­ri­täts­prin­zip und Bür­ger­nä­he, Open Go­vern­ment und Open Source, Ur­he­ber­rechts­re­form und Open Da­ta, Da­ten­si­cher­heit und Schutz der Privatsphäre.

Oberbayerische Mitglieder und Funktionsträger der Piratenpartei kön­nen an die­sem Wo­chen­en­de al­so phy­sisch und per Live­stream auf gleich zwei Par­tei­ta­gen sein und den star­ken Puls ei­ner in­ter­na­tio­na­len di­gi­ta­len Bür­ger­rechts­be­we­gung spü­ren. Ein Dank geht da­bei an die Ge­ne­ral­se­kre­tä­re der Pi­ra­ten­par­tei, an die Netz­wer­ker in der PiratenIT und an die Re­dak­teu­re der PIRATEN-Pub­li­ka­tion „Flaschenpost“.

2. Weigert: Kommunen elementar für Mobilfunkausbau

Diejenigen Nerds, die am heutigen Sonntag mit dem Zug aus Richtung München nach Kolbermoor ge­kom­men sind, wer­den sich wo­mög­lich fremd­ge­schämt ha­ben: näm­lich we­gen der Funk­lö­cher zwi­schen Grafing, Aßling und Großkarolinenfeld. Im Sü­den der Lan­des­haupt­stadt Bayerns, in der wach­sen­den Me­tro­pol­re­gion München: ⭲ kaum Mo­bil­funk, kaum WLAN, kaum schnel­les Internet.

Noch in dieser Woche hat Oberbayerns Re­gie­rungs­prä­si­den­tin Maria Els die flä­chen­de­cken­de Mo­bil­funk­ver­sor­gung als „we­sent­li­che Grund­la­ge für in­no­va­ti­ve Ge­schäfts­mo­del­le so­wie die Schaf­fung und den Er­halt zu­kunfts­fä­hi­ger Ar­beits­plät­ze“ be­zeich­net. In der Tat hat die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung zur Ver­bes­se­rung der Mo­bil­funk­ver­sor­gung im Frei­staat das Baye­ri­sche Mo­bil­funk­för­der­pro­gramm im letz­ten Jahr auf den Weg ge­bracht. Da­mit sol­len bis En­de 2022 dünn be­sie­del­te, länd­li­che Re­gio­nen er­schlos­sen und je­ne Lü­cken im Sprach­mo­bil­funk ge­schlos­sen wer­den, wo der ei­gen­wirt­schaft­li­che Aus­bau der Mo­bil­funk­an­bie­ter nur schlep­pend vo­ran­kommt. Zu­stän­dig ist das Baye­ri­sche Mo­bil­funk­zen­trum, des­sen Lei­ter Bernhard Eder ak­tu­ell al­ler­dings al­lein in Ober­bayern 190 Ge­mein­den zu den „Wei­ßen Fle­cken“ zählt, da­run­ter auch Teil­flä­chen von Gra­fing und Aß­ling. No­ta­be­ne: Ober­bayern hat 20 Land­krei­se, drei kreis­freie Städ­te und 497 Städ­te und Ge­mein­den. Das heisst, 38,23 Pro­zent der ober­baye­ri­schen Kom­mu­nen sind der­zeit teil­wei­se un­ter­ver­sorgt. Pi­kan­tes De­tail: Der Baye­ri­sche Wirt­schafts­staats­se­kre­tär Roland Weigert ist über­zeugt, dass der Mo­bil­funk­aus­bau oh­ne die Kom­mu­nen nicht ge­lin­gen wer­de, „da ein flä­chen­de­cken­des Vor­ge­hen des Bun­des nicht ab­seh­bar ist“.

In den letzten vier Jahren haben in Rosenheim gleich acht in Ver­ant­wor­tung ste­hen­de Po­li­ti­ker der CSU den Kopf über die Ver­sor­gungs­lü­cken ge­schüt­telt:

  • Alexander Dobrindt, Vor­sit­zen­der der CSU-Lan­des­grup­pe im Deut­schen Bun­des­tag und Bun­des­mi­nis­ter für Ver­kehr und di­gi­ta­le In­fra­struk­tur im Ka­bi­nett Merkel III,
  • Andreas Scheuer, Bun­des­mi­nis­ter für Ver­kehr und di­gi­ta­le In­fra­struk­tur im Ka­bi­nett Merkel IV,
  • Dorothee Bär, Staats­mi­nis­te­rin für Di­gi­ta­li­sie­rung bei der Bun­des­kanz­le­rin im Ka­bi­nett Merkel IV,
  • Daniela Ludwig, Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te aus dem Wahl­kreis Ro­sen­heim, Mit­glied im Frak­tions­vor­stand der CDU/CSU-Bun­des­tags­frak­tion so­wie Ob­frau und or­dent­li­ches Mit­glied im Aus­schuss für Ver­kehr und di­gi­ta­le In­fra­struk­tur,
  • Ilse Aigner, Bayerische Staats­mi­nis­te­rin für Wirt­schaft und Me­dien, Ener­gie und Tech­no­lo­gie im Ka­bi­nett See­hofer II,
  • Franz Josef Pschierer, Baye­ri­scher Staats­mi­nis­ter für Wirt­schaft, Lan­des­ent­wick­lung und Ener­gie im Ka­bi­nett See­hofer II,
  • Klaus Stöttner, Rosenheimer Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter und Mit­glied im Aus­schuss für Wirt­schaft, Lan­des­ent­wick­lung, Ener­gie, Me­dien und Di­gi­ta­li­sie­rung so­wie
  • Gabriele Bauer, Rosenheims Ober­bür­ger­meis­te­rin.

3. Gabriel: WLAN-Ausbau „mit angezogener Handbremse“

Zur Erinnerung: Sigmar Gabriel, der von der SPD ge­stell­te Bun­des­mi­nis­ter für Wirt­schaft und Ener­gie im Ka­bi­nett Merkel III, er­klär­te am 12. März 2015, al­so vor vier Jah­ren, Deutsch­land fah­re bei der Ver­brei­tung von WLAN im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich „mit an­ge­zo­ge­ner Hand­brem­se“. Des­halb be­dür­fe es ei­nes „Schubs für kos­ten­lo­ses WLAN“. Die­ser Schub kam dann al­ler­dings nicht von der schwarz-ro­ten Bun­des­re­gie­rung, son­dern vom Frei­staat Bayern. Der will bis Ende 2020 an 40.000 öf­fent­li­chen Hot­spots kos­ten­frei und zeit­lich un­be­grenzt „BayernWLAN“ zur Ver­fü­gung stel­len. Mitt­ler­wei­le sind in Ko­opera­tion mit der Vo­da­fone GmbH mehr als 12.000 BayernWLAN-Hot­spots in Be­trieb. Über sie wer­den mo­nat­lich 470.000 Gi­ga­byte Da­ten von rund 4,1 Mil­lio­nen Nut­zern um­ge­setzt. BayernWLAN ist bei­spiels­wei­se in Äm­tern und Be­hör­den so­wie an tou­ris­ti­schen Or­ten ver­füg­bar. In Ro­sen­heim Stadt be­fin­den sich der­zeit drei Hot­spots, in Kol­ber­moor kei­ner. Für Schu­len und Plan­kran­ken­häu­ser gibt es seit dem 1. Ju­ni 2018 ein ei­ge­nes För­der­pro­gramm der Baye­ri­schen Staats­re­gie­rung: die Glas­fa­ser/WLAN-Richt­li­nie (GWLANR) – zu­stän­dig für die För­de­rung sind die Sach­auf­wands­trä­ger bei den Be­zirks­re­gie­run­gen. Mo­bi­les BayernWLAN soll zu­dem in Bus­sen des Öf­fent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehrs ein­ge­setzt wer­den. Da­zu fi­nan­ziert der Frei­staat je­dem Land­kreis und je­der kreis­freien Stadt die In­stal­la­tion in bis zu 20 Bus­sen, ge­de­ckelt bei 2000 Eu­ro je Bus. Der Wehr­muts­trop­fen: Die Ver­bin­dung zum Hot­spot hat kei­ne Si­cher­heits­ver­schlüs­se­lung. Und: Ei­sen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men bie­ten kein BayernWLAN.

Vor genau einem Jahr nun hat die Bayerische Oberlandbahn GmbH, die den Meridian be­treibt, ei­gen­stän­dig zwei Zü­ge aus der Me­ri­dian-Flot­te zu Test­zwe­cken mit WLAN aus­stat­ten las­sen. Ei­ne Be­fra­gung durch Stu­den­ten der Hoch­schu­le München im Jahr 2017 hat­te er­ge­ben, dass für zwei Drit­tel der be­frag­ten Fahr­gäs­te ei­ne gu­te In­ter­net­ver­bin­dung im Zug wich­tig oder sehr wich­tig ist. Der Be­darf ist dem­nach do­ku­men­tiert. Die Test­pha­se dauer­te ein hal­bes Jahr und wur­de im Sep­tem­ber 2018 ver­län­gert. Doch ohne Netz gibt es auch in die­sen bei­den Zü­gen kein WLAN. Und wer nach Salz­burg ge­lan­gen will, hat ab der Gren­ze aber­mals kein Netz. Im Me­ri­dian WLAN vor­zu­fin­den, ist folg­lich Glücks­sa­che. So drän­gend ist die Si­tua­tion, dass die OVB24 GmbH, Toch­ter­un­ter­neh­men des Ro­sen­hei­mer OVB Me­dien­hau­ses, mit ih­ren News­por­ta­len der­zeit ei­ne So­cial Me­dia-Kam­pag­ne fährt: Auf der Face­book-Sei­te „Ein Netz für Bahn­pend­ler“ wer­den Ar­ti­kel zur ak­tu­el­len Si­tua­tion ge­pos­tet. Ein­schließ­lich der Bit­te, die­se zu li­ken. Ein­trä­ge in die­sem Jahr: ins­ge­samt zwei.

Medial weniger Aufmerksamkeit genoss dagegen der fast zehn Jah­re wäh­ren­de Rechts­streit zwi­schen PIRAT Tobias McFadden und Sony Music: Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) in Karlsruhe hat just am 7. März die Re­vi­sion des Kon­zerns zu­rück­ge­wie­sen und be­stä­tigt, dass der PIRAT und Ge­mein­de­rat aus Gauting im ober­baye­ri­schen Land­kreis Starnberg sein of­fe­nes WLAN nicht mit ei­nem Pass­wort schüt­zen oder gar bei Rechts­ver­stö­ßen Drit­ter ab­schal­ten muss.

Zur Erinnerung: Auslöser des von McFadden gemeinsam mit dem ober­baye­ri­schen Be­zirks­ver­band der Pi­ra­ten­par­tei Deutsch­land ini­ti­ier­ten Ver­fah­rens war ei­ne Ab­mah­nung Sonys ge­gen McFadden, da über des­sen of­fe­nes WLAN ein ur­he­ber­recht­lich ge­schütz­tes Werk ge­tauscht wor­den war. Bei die­sem Fall be­stä­tigt sich ein wei­te­res Mal: Po­li­tik be­deu­tet das lang­wie­ri­ge Boh­ren sehr di­cker Bret­ter. Doch un­ab­hän­gig von der Ta­ges­form bei Wah­len ha­ben hier PIRATEN Rechts­ge­schich­te ge­schrie­ben, Rechts­si­cher­heit ge­schaf­fen, Ab­mahn­wel­len ein­ge­dämmt und die so­ge­nann­te WLAN-Stö­rer­haf­tung ab­ge­schafft. Ein Dank geht da­bei an al­le Un­ter­stüt­zer und die Rechts­an­walts­kanz­lei Hufschmid aus der Gro­ßen Kreis­stadt Germering im süd­li­chen Land­kreis Fürstenfeldbruck, wel­che das Ver­fah­ren in den letz­ten sie­ben Jah­ren er­folg­reich be­glei­tet hat.

Anhand dieses lokalen Beispiels wird hand­greif­lich, wes­halb die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land in in­ter­na­tio­na­len Ran­kings zur di­gi­ta­len Trans­for­ma­tion schlecht da steht.

4. Baustellen der Digitalisierung

Der vom Weltwirtschaftsforum (WEF) jährlich ver­öf­fent­lich­te „Net­worked Readi­ness In­dex (NRI)“ ana­ly­siert und be­wer­tet Fak­to­ren, die in ei­nem Land für die Nut­zung von In­for­ma­tions- und Kom­mu­ni­ka­tions­tech­no­lo­gie (IuK-Tech­no­lo­gie) zur Ent­wick­lung der Ge­sell­schaft bei­tra­gen. Im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich von 143 Volks­wirt­schaf­ten lag die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land im Jahr 2015 bei der di­gi­ta­len Ent­wick­lung auf Platz 13 – hin­ter Sin­ga­pore, Finn­land, Schwe­den, den Nie­der­lan­den, Nor­we­gen, der Schweiz, den USA, Groß­bri­tan­nien, Lu­xem­burg, Ja­pan, Ka­na­da und der Re­pu­blik Ko­rea. Die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­sion ver­or­te­te die Bun­des­re­pu­blik 2016 bei der flä­chen­de­cken­den Ver­sor­gung mit Breit­band in Eu­ro­pa auf Rang 28 von 32. Ei­ne Bat­te­rie wei­te­rer Ran­kings be­stä­tigt die­se Po­si­tio­nie­rung bis heu­te. An­ge­sichts sol­cher Ran­kings qua­li­fi­zier­te die „Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung“ be­reits im März 2018 die voll­mun­di­gen Sprü­che der Ver­ant­wor­tung tra­gen­den Po­li­ti­ker als „überambitioniert“.

Diese Woche nun hat das „Kom­pe­tenz­zen­trum Öf­fent­li­che IT“ den „Deutsch­land-In­dex Di­gi­ta­li­sie­rung 2019“ vor­ge­stellt. Er be­schreibt die Di­gi­ta­li­sie­rung der Bun­des­re­pu­blik auf 51 Sei­ten an­hand der fünf The­men­fel­der „In­fra­struk­tur“, „Di­gi­ta­les Le­ben“, „Wirt­schaft und For­schung“, „Bür­ger­ser­vi­ces“ so­wie „Di­gi­ta­le Kom­mu­ne“. Ei­nen ei­ge­nen Schwer­punkt bil­det die An­glei­chung der Lebens­ver­hält­nis­se.

Zur Erinnerung: Bereits der Koalitionsvertrag 2017 zwischen CDU, CSU und SPD sah un­ter dem Ti­tel „Deutsch­lands Zu­kunft ge­stal­ten“ für die 18. Le­gis­la­tur­pe­rio­de vor, „die di­gi­ta­le Spal­tung zwi­schen den ur­ba­nen Bal­lungs­zen­tren und länd­li­chen Räu­men zu über­win­den“. Da­zu woll­te die Bun­des­re­gie­rung „die Kom­mu­nen im Sin­ne ei­ner kom­mu­ni­ka­ti­ven Da­seins­vor­sor­ge in länd­li­chen Räu­men beim Breit­band­aus­bau unterstützen.“

Die Kernaussagen des „Deutschland-Index Di­gi­ta­li­sie­rung 2019“ im Ver­gleich zwi­schen 2017 und 2019 sind ernüchternd:

  • Infrastruktur: Die Ge­schwin­dig­keit beim Breit­band­aus­bau hält nicht Schritt mit der Vi­sion ei­nes flä­chen­de­cken­den Gigabit-Netzes.
  • Digitales Leben: Die mo­bi­le Nut­zung des In­ter­nets nimmt stark zu – So­cial Me­dia wer­den we­ni­ger ver­wen­det – die Nut­zung halb­öf­fent­li­cher Kom­mu­ni­ka­tion ver­schiebt sich hin zur ge­mein­schaft­li­chen Ge­stal­tung der di­gi­ta­len Welt – bei der In­an­spruch­nah­me di­gi­ta­ler An­ge­bo­te un­ter­schei­den sich die Bun­des­län­der von­ein­an­der nur moderat.
  • Wirtschaft und Forschung: An­stieg bei Be­trie­ben, Be­schäf­tig­ten, Aus­zu­bil­den­den, Stu­die­ren­den, För­der­sum­men im IT-Be­reich – An­stieg des Ver­hält­nis­ses zwi­schen of­fe­nen und be­setz­ten IT-Stel­len in fast al­len Bun­des­län­dern – kein sys­te­ma­ti­scher Ef­fekt durch For­schungs­för­de­rung.
  • Bürgerservices: Zwar ha­ben 13 Bun­des­län­der ein E-Govern­ment-Ge­setz und zwölf ein In­for­ma­tions­frei­heits­ge­setz, doch die di­gi­ta­le Be­hör­den­kom­mu­ni­ka­tion ist rück­läu­fig und die Nut­zer­freund­lich­keit vie­ler Diens­te gering.
  • Digitale Kommune: Zwi­schen den An­for­de­run­gen des „On­line­zu­gangs­ge­set­zes (OZG)“ und den vor­han­de­nen On­line-Ver­wal­tungs­leis­tun­gen be­ste­hen ⭲ er­heb­li­che Dis­kre­pan­zen – nur 19 Pro­zent der Ver­wal­tungs­leis­tun­gen wer­den on­line an­ge­bo­ten – die Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Ver­wal­tungs­ebe­nen ver­bes­sert sich, Ba­sis­kom­po­nen­ten wer­den stär­ker genutzt.

Hinsichtlich der Angleichung der Lebensverhältnisse besteht der Ex­per­ti­se zu­fol­ge wei­ter­hin „ein enor­mer Hand­lungs­be­darf, schlech­ter ver­sorg­te Re­gio­nen mög­lichst un­bü­ro­kra­tisch beim Breit­band­aus­bau zu unterstützen“.

5. Bär: „Digitaler Ruck“

Das ist der Stand vier Monate nach der Son­der­ka­bi­netts­klau­sur Di­gi­ta­li­sie­rung am Pots­da­mer Has­so-Platt­ner-In­sti­tut, die ei­nen Schub für Kom­pe­ten­zen und In­no­va­tio­nen brin­gen soll­te. Er­geb­nis war die 170-sei­ti­ge „Um­set­zungs­stra­te­gie der Bun­des­re­gie­rung zur Ge­stal­tung des di­gi­ta­len Wan­dels“. Mit ihr wer­den – aus­ge­hend vom Koa­li­tions­ver­trag – für di­ver­se Heraus­for­de­run­gen Maß­nah­men plus Um­set­zungs­plä­ne für die Bun­des­mi­nis­te­rien de­fi­niert: „Ziel ist es, die Le­bens­qua­li­tät für al­le Men­schen in Deutsch­land wei­ter zu stei­gern, die wirt­schaft­li­chen und öko­lo­gi­schen Po­ten­zia­le zu ent­fal­ten und den so­zia­len Zu­sam­men­halt zu si­chern.“ Die Maß­nah­men orien­tie­ren sich „stär­ker als bis­her“ an den in­di­vi­du­el­len Le­bens­wel­ten der Bür­ger­in­nen und Bür­ger, an Un­ter­neh­men un­ter­schied­li­cher Grö­ße, an Wis­sen­schafts- und For­schungs­ein­rich­tun­gen so­wie an Ver­ei­nen und Ver­bän­den. Die Stra­te­gie ist „li­quid“ und wird kon­ti­nu­ier­lich on­line un­ter ⭱ digital-made-in.de weiterentwickelt.

Für fünf Handlungsfelder trifft die Bun­des­re­gie­rung kon­kre­te Leit­aus­sa­gen:

  • Im ersten Feld „Di­gi­ta­le Kom­pe­tenz“ soll das Bil­dungs­sys­tem auf di­gi­tal ge­präg­tes Le­ben, die di­gi­ta­le Ar­beits- und Wirt­schafts­welt so­wie die di­gi­ta­le Wis­sens­ge­sell­schaft aus­ge­rich­tet wer­den, wo­zu auch der „DigitalPakt Schule“ zählt.
  • Im zweiten Feld „In­fra­struk­tur und Aus­stat­tung“ soll die Bun­des­re­pu­blik bis 2025, mit­hin in sechs Jah­ren, über gi­ga­bit­fä­hi­ge Net­ze ver­fü­gen und mit Blick auf In­dus­trie 4.0, Te­le­me­di­zin und au­to­no­mes Fah­ren zum „Leit­markt für 5G-An­wen­dun­gen“ werden.
  • Im dritten Feld „In­no­va­tion und di­gi­ta­le Trans­for­ma­tion“ sol­len ge­zielt Start-ups so­wie klei­ne und mitt­le­re Un­ter­neh­men (KMU) bran­chen­über­grei­fend ge­för­dert wer­den, in­no­va­ti­ve Tech­no­lo­gien und da­ten­ge­trie­be­ne Ver­fah­ren in der Land- und Er­näh­rungs­wirt­schaft ein­ge­setzt wer­den und Deutsch­land in der Nut­zung von Künst­li­cher In­tel­li­genz (KI) welt­füh­rend werden.
  • Im vierten Feld „Ge­sell­schaft im di­gi­ta­len Wan­del“ sol­len ethi­sche Leit­li­nien das Ver­hält­nis zwi­schen Mensch und Al­go­rith­mus klä­ren, da­mit di­gi­ta­le Frei­räu­me er­hal­ten und ei­ne di­gi­ta­le Spal­tung ver­hin­dert werden.
  • Im fünften Feld „Moderner Staat“ sol­len schließ­lich bis En­de 2022 al­le Ver­wal­tungs­leis­tun­gen auch on­line in An­spruch ge­nom­men wer­den können.

Mitte Februar erklärte Staats­mi­nis­te­rin Dorothee Bär, durch Deutsch­land müs­se ein „di­gi­ta­ler Ruck“ ge­hen und die vor­ge­nann­te Stra­te­gie ver­set­ze je­den Bür­ger in die La­ge, „den di­gi­ta­len Wan­del selbst mit­ge­stal­ten zu können“.

6. Förderung der digitalen Transformation

Die Zahl der Bestandsaufnahmen, Absichts- und Regierungserklärungen, Mas­ter­plä­ne und För­der­pro­gram­me zur di­gi­ta­len Trans­for­ma­tion für die Eu­ro­päi­sche Un­ion, die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und den Frei­staat Bayern sind in­zwi­schen Le­gion. Hier­bei sind für die Di­gi­tal­po­li­tik in Bayern ei­ni­ge Weg­mar­ken in chro­no­lo­gi­scher Rei­hen­fol­ge herauszuheben:

  • Europäische Kommission (2010): ⭱ E-Paper „Eu­ro­pa 2020 – Ei­ne Stra­te­gie für in­tel­li­gen­tes, nach­hal­ti­ges und in­te­gra­ti­ves Wachs­tum“,
  • Europäische Kommission (2010): ⭱ E-Paper „Di­gi­ta­le Agen­da für Europa“,
  • Deutscher Bundestag (2010–2013): Enquete-Kommission ⭱ E-Paper „In­ter­net und Di­gi­ta­le Ge­sell­schaft“ des Deut­schen Bun­des­ta­ges in der 17. Wahlperiode,
  • Europäische Union (2014–2020): EU-För­der­pro­gramm ⭱ „Ho­rizon 2020“ für KMU,
  • Europäische Union (2014–2020): EU-För­der­pro­gramm ⭱ „COSME für KMU,
  • Europäische Union (2014–2020): EU-För­der­pro­gramm ⭱ „Euro­stars“ für KMU,
  • Deutsche Bundesregierung (2013): Koa­li­tions­ver­trag „Deutsch­lands Zu­kunft ge­stal­ten“ zwi­schen CDU, CSU und SPD,
  • Deutscher Bundestag (ab 2014): Stän­di­ger Aus­schuss „Di­gi­ta­le Agen­da“ im Deut­schen Bun­des­tag,
  • Deutsche Bun­des­re­gie­rung (2014): „Di­gi­ta­le Agen­da 2014–2017“,
  • Bundesministerium für Ar­beit und So­zia­les (2015–2016): „Dia­log­pro­zess Ar­bei­ten 4.0“ des BMAS,
  • Bayerische Staatsregierung (2015): „Zu­kunfts­stra­te­gie Bayern Di­gi­tal“,
  • Bayerische Staatsregierung (2015): „Bayern Di­gi­tal: In­no­va­tion för­dern, Wachs­tum si­chern“,
  • Bayerische Staatsregierung (2015–2018): För­der­ini­tia­ti­ve „Mas­ter­plan Bayern Di­gi­tal“,
  • Bayerische Staatsregierung (2016): För­der­pro­gramm „Di­gi­tal­bo­nus Bayern“,
  • Bayerische Staatsregierung (2016): „Di­gi­ta­le Grün­der­zen­tren“,
  • Bayerische Staatsregierung (2016): „Zen­trum Di­gi­ta­li­sie­rung.Bayern (ZD.B)“,
  • Bayerische Staatsregierung (2016): „Platt­form Cyber­se­cu­rity“,
  • Bundesministerium für Wirt­schaft und Ener­gie (2016): „Di­gi­ta­le Stra­te­gie 2025“,
  • Bundesministerium für Wirt­schaft und Ener­gie (2017): Le­gis­la­tur­be­richt zur „Di­gi­ta­len Agen­da 2014–2017“,
  • Bayerische Staatsregierung (2018–2022): För­der­ini­tia­ti­ve „Mas­ter­plan Bayern Di­gi­tal II“,
  • Deutsche Bundesregierung (2017): „Netz­werk­durch­set­zungs­ge­setz (NetzDG)“,
  • Europäische Union (2016–2018): „EU-Da­ten­schutz­grund­ver­ord­nung (EU-DSGVO)“ so­wie
  • Deutsche Bundesregierung (2018): „Um­set­zungs­stra­te­gie der Bun­des­re­gie­rung zur Ge­stal­tung des di­gi­ta­len Wandels“.

Zugegeben: Diese Aufzählung ist beeindruckend – und die För­der­maß­nah­men zei­gen durch­aus Wir­kung bei Start-ups, KMU, Hoch­schu­len, Kom­mu­nen und Ver­wal­tun­gen. Al­lein das In­ves­ti­tions­pro­gramm „Bayern Di­gi­tal“ hat ein Ge­samt­vo­lu­men von sechs Mil­liar­den Eu­ro bis 2022 und setzt sich zu­sam­men aus den bei­den Mas­ter­plä­nen „Bayern Di­gi­tal I“ (2015–2018, rund 2,5 Mil­liar­den Eu­ro) und „Bayern Di­gi­tal II“ (2018–2022, rund 3,0 Mil­liar­den Eu­ro) so­wie ei­ni­gen er­gän­zen­den Pro­jek­ten. Zu den För­der­pro­gram­men von „Bayern Di­gi­tal“ gehören:

7. Krueger: „Pack ma’s o!“

Dennoch: Im Süden der Landeshauptstadt Bayerns, in der wach­sen­den Me­tro­pol­re­gion München: kaum Mo­bil­funk, kaum WLAN, kaum schnel­les In­ter­net. – We­nig ver­wun­der­lich al­so, dass man­che auf die­se „Di­gi­ta­li­sie­rung“ in­zwi­schen mit Skep­sis rea­gie­ren, gar mit Groll. Ak­tu­ell im Fo­kus: das Netz­werk­durch­set­zungs­ge­setz, die ⭲ EU-Da­ten­schutz­grund­ver­ord­nung, die ⭲ EU-Ur­he­ber­rechts­re­form – kon­kret: Ar­ti­kel 13 und Up­load­fil­ter. So ist der Ein­druck schwer­lich von der Hand zu wei­sen, dass doch nicht je­der Bür­ger und je­de Bür­ge­rin in die La­ge ver­setzt wird, „die di­gi­ta­le Trans­for­ma­tion selbst­be­stimmt mit­ge­stal­ten zu kön­nen und vor al­lem ver­ant­wor­tungs­voll mit den Ri­si­ken um­zu­ge­hen“, wie es Staats­mi­nis­te­rin Bär formuliert.

An einer radikalen Digitalisierung führt kein Weg vorbei.
Nur so befördern wir die Bahn in ein neues Zeitalter
und können mehr Verkehr auf die Schiene verlagern.
Prof. Dr. Sabina Jeschke, Pro­fes­so­rin für Ma­schi­nen­bau an der RWTH Aachen,
Mitglied des Vorstands der Deutschen Bahn, 1. Ja­nu­ar 2020

Damit wirklich Freiräume erhalten bleiben und eine digitale Spaltung ver­hin­dert wird, da­zu be­darf es viel­mehr ei­ner ⭲ kon­so­li­dier­ten und pro­ak­ti­ven Di­gi­tal­po­li­tik. Und die „di­gi­tal-kom­pe­ten­te Zi­vil­ge­sell­schaft, die sich ak­tiv in die­se Dis­kus­sion ein­bringt“, gibt es be­reits. Ei­ni­ge ih­rer Re­prä­sen­tan­ten ha­ben sich heu­te auf dem Be­zirks­par­tei­tag Oberbayern 2019.1 in Kolbermoor ein­ge­fun­den: Herz­lich will­kom­men, PIRATEN! „Pack ma’s o!“

Klarmachen zum Ändern! 

Pressekontakt
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker