Abpfiff für Fußballplatz-Projekt in Zellerreit?
Weiderer: „Wir wollen kämpfen“
Ramerberg — Die Funktionäre des Sportvereins Ramerberg sind bestürzt: Der Fußballplatz soll doch nicht aus Ramerbergs Ortsmitte an den nordwestlichen Ortsausgang von Zellerreit verlegt werden. Auf der jüngsten Gemeinderatssitzung haben die Unabhängigen Wähler Ramerberg mit ihrer Mehrheit einen Beschluss herbeigeführt, wonach das Bauleitverfahren am anvisierten Standort eingestellt wird. Damit scheint das vom SVR jahrelang verfolgte Projekt „kurz vor der Ziellinie“ beendet. Obendrein könnte der Sportverein für die Kosten eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans herangezogen werden. Dies würde aber den bald 70 Jahre alten Sportverein finanziell überfordern, womöglich zur Auflösung zwingen, befürchten seine Mitglieder. Dennoch geben sie sich kämpferisch.
Wegweiser
- Symbolische Kranzniederlegung
- Standort Zellerreit: Für und Wider
- Reithmeier: Alternativen prüfen
- Gäch: „Fehlentscheidung revidieren“
Symbolische Kranzniederlegung
„Im Gedenken an glorreiche Zeiten“ steht auf der Schleife: Symbolisch trägt der „Sportverein Ramerberg 1952 e. V. (SVR)“ sein Bauvorhaben just auf jener Fläche zu Grabe, die ihm für den neuen Fußballplatz auf 30 Jahre pachtfrei überlassen werden sollte. Hans Scherfler jun., Gemeinderatsmitglied und aktiver Fußballer des SVR, und SVR-Jugendleiter Florian Berger legen gemeinsam mit Grundstückseigentümer und Gastwirt Georg Esterer sen. einen Kranz an der Stelle nieder, wo die Vereinsmitglieder künftig hätten trainieren sollen.
Die Aktion versinnbildlicht das jähe Ende einer 15 Jahre dauernden Suche des SVR nach einem neuen Standort für den Fußballplatz in Ramerbergs Ortsmitte. Dort entsprechen die Platz- und Parkverhältnisse, Umkleidekabinen und Sanitäranlagen nicht mehr den Erfordernissen. Erweiterung und Modernisierung seien nicht möglich, die Situation an der befahrenen Straße sei „unzumutbar“.
Standort Zellerreit: Für und Wider
Bereits die Aussicht auf Verlegung des Fußballplatzes in den Ortsteil Zellerreit bezeichnete der SVR als „historisch einmalige Chance“. Die unmittelbare Nähe zu den Tennisplätzen des „Wintersportverein Zellerreit e. V. (WSV)“ und den Bahnen der Stockschützen ließ den SVR seit 2017 hoffen, diverse sportliche Einrichtungen an einem verkehrsberuhigten Standort konzentrieren zu können. In diesem Sinne ließen Bürgermeisterin Barbara Reithmeier (CSU) den Flächennutzungsplan (FNP) ändern und ihr Amtsnachfolger, Bürgermeister Georg Gäch (Neue Ramerberger Liste/Freie Wählergemeinschaft Ramerberg, NRL/FWGR), einen Bebauungsplan (B-Plan) aufstellen. Unter anderem wurden die erforderlichen Gutachten und Planungen angestoßen sowie die Kostenübernahme der anfallenden Ausgaben als Vereinsförderung abgesegnet.
Doch das anvisierte ⭲ Areal war von Anfang an umstritten. Anlieger bemängelten hohe Kosten, rügten die Planung im Naherholungsgebiet, warnten vor niedrigem Grundwasserspiegel, vor Lichtverschmutzung durch Flutlichtanlagen, vor Lärmbelästigung der Anwohner durch erhöhtes Verkehrsaufkommen. Der monatelang schwelende Konflikt mündete 2019 in ⭲ Verbalangriffe gegen den damaligen Bürgermeister, den Gemeinderat und die Kommunalverwaltung, denen Gäch mit Vehemenz entgegentrat.
Reithmeier: Alternativen prüfen
Letztes Jahr wurde Manfred Reithmeier (UWR) bei der Kommunalwahl zum Bürgermeister gewählt, löste Georg Gäch (NRL/FWGR) ab. In seinem Grußwort auf www.ramerberg.de schreibt Reithmeier, sein oberstes Ziel sei, „wieder Ruhe in die Gemeinde zu bringen, gezielt Lösungen zu finden und diese bestmöglich umzusetzen“. Und: „Ein fairer Umgang mit wirklich allen Beteiligten liegt mir sehr am Herzen“. So bat ihn der SVR im Sommer 2020, die „historisch einmalige Chance“ für den örtlichen Sport „erfolgreich zu vollenden“. Dennoch zeigte sich schon bei Beratungen im Herbst eine Spaltung des Gemeinderates, weshalb Gründungsmitglieder des SVR noch kurz vor der jüngsten Gemeinderatssitzung in einem offenen Brief an die Kommunalpolitiker schrieben, eine Ablehnung des Vorhabens bedeutete „das Ende des SV Ramerberg“.
Der Gemeinderat entschied gleichwohl mit sieben UWR– zu sechs NRL/FWGR-Stimmen, das Bauleitplanverfahren mit sofortiger Wirkung zu beenden. Alternativen sollten geprüft werden, etwa in Sendling, in Unterkatzbach und westlich des bisherigen Standortes in Ramerberg, inwieweit sie überhaupt genehmigungsfähig sind. Rechtsanwalt Sebastian Heidorn mahnte überdies, die Eigentumssituation zu beachten: Bislang habe die Gemeinde 75.000 Euro bezahlt, müsste auch für Ausgleichsflächen sorgen. Beim derzeit angebotsbezogenen Bebauungsplan sei unklar, wer was wie umsetze, wohingegen beim vorhabenbezogenen B-Plan der Vorhabenträger die Planungskosten bezahle.
Gäch: „Fehlentscheidung revidieren“
Petra Hölzle (NRL), Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses und seit 13 Jahren im Gemeinderat, missbilligt den Beschluss und die dahinterstehende „Blockadehaltung“. In Stein gemeißelt sieht Hölzle die Entscheidung jedoch nicht: „Es war eine reine Willensbekundung, keine Grundlagenentscheidung.“ Mit dem Standort Zellerreit sei schließlich „ein Gesamtpaket mit Synergien“ verbunden. Gäch kritisiert wiederum, mit der Abstimmung seien „ein wichtiges Projekt in der Gemeinde aus reiner Klientelpolitik und fehlender Weitsicht zerstört“ sowie öffentliche Gelder „vernichtet“ worden. Gleichwohl sieht der ehemalige Bürgermeister noch Handlungsspielraum, „diese Fehlentscheidung zu revidieren“, zumal mit ihr auch der WSV sein Tennisheim nicht mehr erweitern könne: Stellten Opposition sowie SVR und WSV als Vorhabenträger erfolgreich Anträge zur Aufhebung des Beschlusses, könnte nahtlos an das bisherige Verfahren angeknüpft werden. Reithmeier bestätigt zwar, dass Beschlüsse auch zurückgenommen werden können, ergänzt aber mit Verweis auf die Einwendungen: „Das wird schwierig.“
Indessen befürchtet der SVR aber, der Gemeinderat werde ihn zwingen, sämtliche Kosten zu übernehmen, was den Sportverein „finanziell zu Grunde richten“ würde. Hauptleidtragende wären die fußballbegeisterten Kinder und Jugendlichen. Und da die Abteilung Fußball die meisten Vereinsmitglieder habe, bestehe „sogar die Gefahr, dass sich der gesamte SV Ramerberg auflöst“. Aufgeben will die Vorstandschaft jedoch nicht. Der Beschluss sei „eine rein politische Entscheidung, keine rechtliche“, betont Hans Weiderer, SVR-Ansprechpartner für das Projekt. Daher werde der SVR sachlich auf die Rücknahme des Beschlusses hinwirken: „Wir wollen kämpfen.“ ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 35. Jg., Nr. 15/2021, Samstag, 17. April 2021, S. 2f., Kolumne „Regionales“ [259/6/–/–].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Dienstag, 14. April 2021; ⭱ E-Paper Rosenheimer blick, ⭱ E-Paper Inntaler blick, ⭱ E-Paper Mangfalltaler blick, ⭱ E-Paper Wasserburger blick, Samstag, 17. April 2021. Stand: Neujahr, 1. Januar 2024.
Publikationsverzeichnis: ⭲ Index 2021.