Bad Endorfer Marktgemeinderat stoppt Bürgerbegehren
Bürgerinitiative: „Eine bodenlose Frechheit“

Bad Endorf — Bad Endorfs Gemeinderäte haben dem Bür­ger­be­geh­ren „Grund­schu­le und Hort in der Orts­mit­te von Bad En­dorf“ mehr­heit­lich den Zu­läs­sig­keits­be­schluss ver­wei­gert. Ih­re Ent­schei­dung fußt auf dem Gut­ach­ten ei­ner Rechts­an­walts­kanz­lei und der Stel­lung­nah­me des Land­rats­am­tes Rosenheim als kom­mu­na­le Auf­sichts­be­hör­de. Die Ini­tia­to­ren woll­ten mit dem von über 700 En­dor­fern un­ter­stütz­ten Be­geh­ren die Ver­le­gung der Grund­schu­le von der Orts­mit­te hin ne­ben die Mit­tel­schu­le am Orts­rand ver­hin­dern. Nun se­hen die Ini­tia­to­ren ihr An­sin­nen „mit ei­nem ju­ris­ti­schen Schach­zug vor­erst aus­ge­he­belt“ und die En­dor­fer „ent­mün­digt“. Der Markt­ge­mein­de­rat wie­de­rum will zur Gü­te ein Rats­be­geh­ren auf den Weg brin­gen, wel­ches in­halt­lich den Wil­len des Bür­ger­be­geh­rens fort­füh­re. Ob die Bür­ger­ini­tia­ti­ve dem Rat folgt, lässt sie of­fen. „In je­dem Fall“ soll die Ent­schei­dung der Un­zu­läs­sig­keit des Bür­ger­be­geh­rens ju­ris­tisch ge­prüft wer­den.

„Der Rechtsanwalt hält über 700 Endorfer wohl für geis­tig be­schränkt! Ei­ne bo­den­lo­se Frech­heit, wie wir mei­nen!“, er­klä­ren die Ini­tia­to­ren auf der Web­site www.schule-in-endorf.de zum Schei­tern ih­res Bür­ger­be­geh­rens. Für sie hat der von der Ge­mein­de be­auf­trag­te Rechts­an­walt „mit hoch­tra­ben­den ju­ris­ti­schen Fach­sim­pe­leien gro­ße Ver­un­si­che­rung im Markt­ge­mein­de­rat ver­brei­tet und zu der Ab­leh­nung des Bür­ger­be­geh­rens ent­schei­dend bei­ge­tra­gen“. Da die schrift­li­che Be­grün­dung noch nicht vor­lie­ge, mut­ma­ßen sie, dass ei­ne miss­ver­ständ­lich auf­fass­ba­re Fra­ge­stel­lung zur Ab­leh­nung ge­führt ha­ben könn­te. Auf­ge­ben wol­len sie je­den­falls nicht.

Fall­stri­cke für Bür­ger- und Ge­mein­de­rats­be­geh­ren

Gesetzlich geregelt sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in der Baye­ri­schen Ge­mein­de­ord­nung (GO), Ar­ti­kel 18 a, und der Baye­ri­schen Land­kreis­ord­nung (LkrO), Ar­ti­kel 25 a. Auf­grund feh­len­der Durch­füh­rungs­ver­ord­nung kön­nen die Kom­mu­nen zur Um­set­zung ei­ge­ne Sat­zun­gen er­las­sen. Schei­tern kann ein Be­geh­ren auf ver­schie­de­ne Wei­se. So kön­nen sich Flüch­tig­keits­feh­ler ein­schlei­chen beim For­mu­lie­ren der Fra­ge, Ge­stal­ten der Un­ter­schrif­ten­lis­te, Sam­meln und Ein­rei­chen der Un­ter­schrif­ten, bei der Rück­nah­me und Än­de­rung des Bür­ger­be­geh­rens, der In­for­ma­tion der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger so­wie der Durch­füh­rung, Wirk­sam­keit und An­fech­tung des Bür­ger­ent­scheids. Glei­ches gilt für ein Ge­mein­de­rats­be­geh­ren.

Fin­den zeit­gleich zwei Bür­ger­ent­schei­de zum sel­ben The­ma statt, weil ent­we­der zwei Bür­ger­be­geh­ren ein­ge­reicht wur­den oder ein Ge­mein­de­rat zu­sätz­lich zu ei­nem Bür­ger­be­geh­ren ei­nen ei­ge­nen Bür­ger­ent­scheid durch­führt, muss auf den Stimm­zet­tel oben­drein ei­ne Stich­fra­ge auf­ge­nom­men wer­den. Bei­spiel: Der Dis­put in Waldkraiburg, Land­kreis Mühldorf a.Inn, um den Neu­bau ei­nes in­ter­kom­mu­na­len Schwimm­ba­des im Ver­bund mit der Ge­mein­de Aschau a.Inn oder die al­ter­na­ti­ve Sa­nie­rung des ma­ro­den ⭲ Wald­ba­des Wald­krai­burg mün­de­te Mit­te Mai in ei­nen ⭲ „dop­pel­ten“ Bür­ger­ent­scheid: ein Rats­be­geh­ren pro Neu­bau und ein Bür­ger­be­geh­ren pro Sa­nie­rung. ⭲ Bei­de schei­ter­ten am 13. Mai am er­for­der­li­chen Quo­rum, denn kei­nes er­hielt min­des­tens 20 Pro­zent Zu­stim­mung, wel­che die GO bei bis zu 50.000 Ein­woh­nern vor­gibt. Da­mit griff in Wald­krai­burg ein frü­he­rer Stadt­rats­be­schluss zu­guns­ten des Neu­baus.

„Schule im Herzen Bad Endorfs“

Der Startschuss für das Bürgerbegehren „Grund­schu­le und Hort in der Orts­mit­te von Bad Endorf“ fiel am 28. Sep­tem­ber: Die Un­ter­schrif­ten­lis­te lag in Endorfer Ge­schäf­ten aus und war von der Web­site der Bür­ger­ini­tia­ti­ve (BI) he­run­ter­lad­bar. Durch Me­dien­be­rich­te und In­fo­stän­de er­reich­te das Be­geh­ren be­reits nach zwei­ein­halb Wo­chen die 644 er­for­der­li­chen Un­ter­stüt­zungs­un­ter­schrif­ten. Den von der über 8300 Ein­woh­ner zäh­len­den Markt­ge­mein­de zwi­schen­zeit­lich durch­ge­führ­ten In­for­ma­tions­abend lehn­te die BI als ein­sei­tig ab, zu­mal die­ser die ent­schei­den­den Fra­gen „nicht über­zeu­gend“ be­ant­wor­tet hät­te: Wie kom­men die Kin­der ge­fahr­los zur Schu­le, zu­mal die ört­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten kei­nen gro­ßen Spiel­raum bei der Schul­weg­si­cher­heit er­mög­li­chen? Und wa­rum wird die neue Grund­schu­le nicht im Zen­trum er­rich­tet?

Die Einwände der Initiatoren lauten bündig: Der durch die Rand­la­ge des Schul­zen­trums be­ding­te Bring- und Hol­ver­kehr wer­de die ohne­hin schon an­ge­spann­te Ver­kehrs­si­tua­tion in Bad En­dorf ver­schär­fen und die Orts­mit­te noch we­ni­ger le­bens­wert ma­chen. Über­dies sei der zen­tra­le Stand­ort be­reits im In­te­grier­ten städ­te­bau­li­chen Ent­wick­lungs­kon­zept (ISEK) vor­ge­se­hen. Den Hin­weis der Ge­mein­de auf Mehr­kos­ten führ­ten die Ini­tia­to­ren zu­rück auf die „Ei­le, mit der die Pla­nung oh­ne Ein­be­zie­hung der Bür­ger­schaft, ohne Er­stel­lung ei­nes Mei­nungs­bil­des der Be­trof­fe­nen durch­ge­zo­gen wur­de“. Die­ses Pro­blem sei da­mit „haus­ge­macht“.

Robert Staber, Hans Söldner und Martin Piper über­reich­ten für die BI am 23. Ok­to­ber Bür­ger­meis­te­rin Doris Laban (Ak­tiv für Bad Endorf – ABE) und Ge­mein­de­ge­schäfts­lei­ter Martin Mühlnickel 822 Un­ter­stüt­zungs­un­ter­schrif­ten. Die Zu­läs­sig­keits­über­prü­fung der Markt­ge­mein­de er­gab 703 gül­ti­ge Un­ter­schrif­ten – für un­gül­tig wur­den 117 er­klärt, da sie ent­we­der mehr­fach vor­han­den oder un­le­ser­lich wa­ren.

„Schule im Herzen – jetzt erst recht!“

Mit einem positiven Zulässigkeitsbeschluss des Gemeinderates wä­re der Weg nun frei ge­we­sen für den Bür­ger­ent­scheid, bei dem die En­dor­fer selbst über den künf­ti­gen Stand­ort ih­rer Grund­schu­le und des Horts hät­ten ab­stim­men kön­nen. Der Be­schluss hät­te zu­dem ei­ne ge­setz­li­che Schutz­wir­kung für die Zie­le des Bür­ger­be­geh­rens ent­fal­tet, so­dass bis zum Bür­ger­ent­scheid kei­ne dem Be­geh­ren ent­ge­gen­ste­hen­den Maß­nah­men von der Ge­mein­de­ver­wal­tung hät­ten ge­trof­fen wer­den dür­fen. Die­ser Schutz soll ver­hin­dern, dass voll­en­de­te Tat­sa­chen ge­schaf­fen wer­den und das Bür­ger­be­geh­ren aus­ge­he­belt wird. Den Ini­tia­to­ren zu­fol­ge sei bis da­hin vie­len auch klar ge­wor­den, dass es nicht nur um ei­nen Schul­neu­bau, son­dern um „ei­ne rich­tung­wei­sen­de Ent­schei­dung für die Be­le­bung der Orts­mit­te für die nächs­ten Jahr­zehn­te“ gin­ge: Die Kin­der ge­hör­ten ins Herz der Ge­mein­de, nicht an den Orts­rand.

Nachdem der Gemeinderat auf seiner Sitzung am 23. No­vem­ber den Zu­läs­sig­keits­be­schluss ver­sagt hat, blei­ben den Ver­tre­tern des Bür­ger­be­geh­rens drei Mög­lich­kei­ten. Ers­tens: Die Ent­schei­dung ak­zep­tie­ren. Hier­zu füh­ren die Ini­tia­to­ren auf ihrer Web­site aus, dass der Ge­mein­de­rat dann sein „wo­mög­lich ma­ni­pu­la­ti­ves“ Rats­be­geh­ren durch­füh­ren kön­ne. Für die an­ge­bo­te­ne Be­tei­li­gung feh­le der BI aber jed­we­des Ver­trauen. Zwei­tens: ⭲ ein neues Bür­ger­be­geh­ren mit ei­ner ge­än­der­ten und ju­ris­tisch si­che­ren Fra­ge­stel­lung. Dies könn­te je­doch eben­falls ab­ge­lehnt wer­den. Oder drit­tens: Kla­ge beim Ver­wal­tungs­ge­richt, da­mit die Markt­ge­mein­de ver­pflich­tet wird, das Bür­ger­be­geh­ren doch noch zu­zu­las­sen. Die BI will die Va­rian­ten prü­fen und gibt sich kämp­fe­risch: „So leicht ge­ben die En­dor­fer Bür­ger nicht auf!“ 


Erstveröffentlichung

Print: Ro­sen­hei­mer blick, Inn­ta­ler blick, Mang­fall­ta­ler blick, Was­ser­bur­ger blick, 32. Jg., Nr. 47/2018, Sams­tag, 24. No­vem­ber 2018, S. 1/6, Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ [191/3/1/9].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mitt­woch, 21. No­vem­ber 2018; ⭱ E-Paper Ro­sen­hei­mer blick, ⭱ E-Paper Inn­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Mang­fall­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Was­ser­bur­ger blick, Sams­tag, 24. No­vem­ber 2018. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2021.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker