Unfallverhütung im Urlaub
Vorsorge ist besser als Nachsorge
München — Ob Baden, Schwimmen, Windsurfing, E-Biken, Wandern, Berg- oder Klettersteigen: Bei Freizeitaktivitäten im Urlaub kann schnell ein Unfall passieren. Einige enden gar tödlich. Laut Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ertranken im vergangenen Jahr mindestens 404 Menschen, darunter 329 in Flüssen, Bächen, Seen und Kanälen. Der Deutsche Alpenverein (DAV) betrauerte letzten Zahlen zufolge 30 tote Mitglieder im Jahr 2016. Zwar sind im Allgemeinen immer weniger Tote zu beklagen, doch die Zahl der Verunfallten steigt. Mit einigen Vorsichtsmaßnahmen kann Unfällen aber vorgebeugt werden.
Erst Anfang Juni dieses Jahres ist ein 32-Jähriger mit Gipsarm am Waginger See im Landkreis Traunstein ertrunken. Gemeinsam mit zwei Freunden war er mit einem Ruderboot gekentert. Ob sie alkoholisiert waren, blieb unklar. Einsatzkräfte der Wasserwacht fanden den Verunglückten nach 40 Minuten intensiver Suche in fünf Metern Tiefe und bargen den Leichnam. Mehrere Rettungsboote, ein Sonargerät und ein Rettungshubschrauber waren im Einsatz. Nur eine Woche zuvor war ein 31-Jähriger bei einem Badeunfall am Kronthaler Weiher ums Leben gekommen. Nach Erkenntnissen der Kriminalpolizei Erding geriet der Asylbewerber aus Tansania im Uferbereich über die Bodenabbruchkante ins tiefe Wasser und ging unter. Rettungstaucher der Wasserwacht fanden den Afrikaner erst nach 30 Minuten. Trotz Reanimation verstarb er in der Klinik.
Ertrunken beim Baden
„Binnengewässer sind nach wie vor die Gefahrenquelle Nummer eins“, hatte DLRG-Präsident Achim Haag bereits im Februar kühne wie leichtsinnige Liebhaber des kühlen Nass’ gewarnt. Da zudem nur vergleichsweise wenige Gewässerstellen von Rettungsschwimmern beaufsichtigt würden, sei das Risiko, an unbewachten Seen und Flüssen zu ertrinken, noch um ein Vielfaches höher als an Küsten oder in Schwimmbädern. Ursächlich für den Rückgang der Zahl der Todesopfer um 24,8 Prozent auf 404 im letzten Jahr war für Haag vor allem ein Sommer mit vielen Regentagen und kühlen Temperaturen. Dafür wirkte sich das einigermaßen schöne Wetter im Juni 2017 direkt auf die Ertrinkungsfälle aus: 69 Männer, Frauen und Kinder ertranken allein in jenem Monat – statistisch betrachtet mehr als ein Sechstel aller tödlichen Wasserunfälle des gesamten Jahres.
Besonders vom Ertrinken betroffen sind Ältere, Kinder und Geflüchtete. In der Altersgruppe ab 55 Jahren ertranken im vergangenen Jahr 147 Menschen (36,4 Prozent der Gesamtzahl). Unter den jungen Menschen, die im Wasser ums Leben kamen, waren fünf Kinder im Grundschul- und neun im Vorschulalter. Außerdem ertranken 23 Asylsuchende, die so gut wie alle Nichtschwimmer waren, obgleich die DLRG weit im Vorfeld Baderegeln in über 25 Sprachen übersetzt, Piktogramme der Regeln zum kostenlosen Nachdruck entwickelt und den Kommunen wie auch den DLRG-Gliederungen zum Download zur Verfügung gestellt hatte.
Nach Bundesländern sortiert starben in Bayern wie in den Vorjahren die meisten Menschen durch Ertrinken (86 Personen), gefolgt von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (jeweils 55) sowie Baden-Württemberg (38). Es folgen Sachsen (34) und Mecklenburg-Vorpommern (32). In Bremen (zwei Todesfälle) und im Saarland (ein Todesfall) kamen die wenigsten Menschen auf diese Weise ums Leben.
Verstorben beim Wandern
Kaum hat der Sommer begonnen, müssen auch die Bergwachten verstärkt zu Rettungseinsätzen ausrücken. So war Anfang Juli im Karwendelgebirge bei Mittenwald ein 83-Jähriger aus ungeklärten Gründen gefallen und etwa 150 Meter talwärts durch steiles Wald- und Wiesengelände gestürzt. Der erfahrene Bergsteiger zog sich derart schwere Verletzungen zu, dass er noch an der Unfallstelle verstarb. Die aufwendige Bergung des Leichnams erfolgte durch vier Kräfte der Bergwachtbereitschaft Mittenwald sowie drei Polizeibergführer mit einem Hubschrauber der bayerischen Polizei.
Davor waren die Bergwachten im Berchtesgadener Land bei drei Einsätzen im Lattengebirge, am Grünstein und am Hochstaufen gefordert. Zunächst wurde ein durchnässter, erschöpfter und verwirrter Mann auf der Forststraße zwischen der Röthelbachklause und Baumgarten gefunden. Der 47-jährige Ortsansässige war fast eine Woche mit leichter Bekleidung und ohne Essen unterwegs gewesen. Danach versorgten die Bergwacht Berchtesgaden und der Landrettungsdienst des Roten Kreuzes einen 53-Jährigen, der einen Herzinfarkt erlitten hatte. Und später stürzte ein 40-jähriger einheimischer E-Bike-Fahrer im oberen Teil der Forststraße von der Steiner Alm nach Urwies und verletzte sich unter anderem schwer an der Schulter. Nach der Rettung wurde er in der Kreisklinik Bad Reichenhall versorgt.
Laut DAV sind in heißen Sommern die Notfälle wegen Dehydrierung und Erschöpfung dreimal so häufig wie sonst. Immer mehr Unfälle und Notfälle verursacht auch das Klettersteigen: Die Rettungen Unverletzter, insbesondere Unerfahrener, macht hier inzwischen die Hälfte aller Meldungen aus.
Gerettet durch Vorsicht
Statistisch gesehen sind die Todesfälle zwar rückläufig, doch die Zahl der Unfälle steigt auf Höchststände. Für dieses scheinbare Paradoxon hatte Florian Hellberg von der DAV-Sicherheitsforschung schon im Herbst 2017 eine Erklärung: „Immer mehr Menschen werden gerettet, bevor die Lage für sie lebensbedrohlich wird.“ Deshalb appellierte Hellberg an die Bergsportler: „Verlasst Euch nicht darauf, im Zweifel gerettet zu werden. Der wirksamste Schutz vor schweren Bergunfällen sind eine gute Tourenplanung und ausreichende Reserven – sowohl zeitlich als auch körperlich!“
Vorsichtsmaßnahmen können Gefahren minimieren: Erste-Hilfe-Kurs absolvieren, Schwimmen lernen, die eigenen Kräfte realistisch einschätzen, unbekannte Gewässer und Pfade meiden, geeignete Schutzkleidung tragen, Alkohol meiden, auf den Kreislauf belastende Speisen verzichten, mit Bedacht in kühles Gewässer gehen, Kinder stets beaufsichtigen. Für körperlich herausfordernde Freizeitaktivitäten im Urlaub kann überdies eine private Unfallversicherung angeraten sein, denn die gesetzliche Unfallversicherung deckt keine Unfälle ab, die sich in der Freizeit oder im Urlaub ereignen. Eine private Unfallversicherung kann beispielsweise auch die Bergungskosten bei einer unfallbedingten Bergung übernehmen. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 31. Jg., Nr. 30/2018, Samstag, 28. Juli 2018, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“ [202/3/6/1].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Montag, 23. Juli 2018; ⭱ E-Paper Rosenheimer blick, ⭱ E-Paper Inntaler blick, ⭱ E-Paper Mangfalltaler blick, ⭱ E-Paper Wasserburger blick, Samstag, 28. Juli 2018. Stand: Neujahr, 1. Januar 2020.