Garser Gymnasiasten schicken Ballon in die Stratosphäre
Physik-Projekt „SpaceGG“ wird zum Spektakel

Gars am Inn — Ein hal­bes Jahr­hun­dert nach dem Hit „Up, Up And Away“ der Pop-Grup­pe „5th Di­men­sion“ füh­ren 28 Schü­ler des Gym­na­siums Gars un­ter dem Ti­tel „SpaceGG“ ein au­ßer­ge­wöhn­li­ches Phy­sik-Pro­jekt durch: Sie schi­cken ei­nen Wet­ter­bal­lon mit Sen­so­ren, Vi­deo­ka­me­ra und Fall­schirm in die Stra­to­sphä­re. Der Bal­lon soll bis zu 30 Ki­lo­me­ter hoch stei­gen und an­schlie­ßend un­ver­sehrt auf der Er­de lan­den. Ziel des Ex­pe­ri­ments un­ter Auf­sicht des Phy­sik­leh­rers Jo­nas Ege­ler und Füh­rung der Klas­se 10b ist, Druck- und Tem­pe­ra­tur­da­ten der At­mo­sphä­re zu er­he­ben so­wie ein Vi­deo von Flug und Er­de zu er­stel­len. Der Start er­folgt am Diens­tag, 10. Ju­li, um 11.10 Uhr auf dem Ro­ten Platz des Gym­na­siums un­ter Bei­sein der rund 800 Gar­ser Gym­na­sias­ten.

„Would you like to ride in my beau­ti­ful bal­loon? We could float among the stars to­gether, you and I — For we can fly we can fly up, up and away.“ So be­sang 1967 „5th Di­men­sion“ ih­re ima­gi­nä­re „Bal­lon­fahrt“ und schoss mit dem Ohr­wurm auf Platz 7 der US Pop Singles-Hit­pa­ra­de. Was da­mals noch wie Science Fic­tion klang, setz­te Felix Baumgartner im Ok­to­ber 2012 über­aus spek­ta­ku­lär und live im Fern­se­hen über­tra­gen um: An ei­nem He­lium­bal­lon auf­ge­hängt stieg der öster­rei­chi­sche Ex­trem­sport­ler in ei­ner Druck­kap­sel von der ame­ri­ka­ni­schen Wal­ker Air Force Base bei Ros­well, New Mexi­co, auf in die Stra­to­sphä­re. Im Schutz­an­zug sprang er aus rund 38.969 Me­tern Hö­he ab, um nach freiem Fall mit ei­ner Ma­xi­mal­ge­schwin­dig­keit von 1357,6 km/h si­cher per Fall­schirm zu lan­den: Welt­re­kord.

„Space — The fi­nal Fron­tier“, heißt der ein­füh­ren­de Satz bei der Kult-Serie „Star Trek“. Gren­zen zu über­win­den und Wis­sen zu er­wei­tern ist zu­gleich Mo­ti­va­tion für ein ori­gi­nel­les Schul­pro­jekt am Gym­na­sium Gars, des­sen Team „phyTecs“ 2008 Bun­des­sie­ger der In­tel-Leib­niz-Chal­lenge wur­de. Un­ter Auf­sicht des Phy­sik­leh­rers Jonas Egeler wol­len 28 Schü­ler der Klas­sen 8‍a, 8‍d und 10‍a mit ei­nem Wet­ter­bal­lon in die Stra­to­sphä­re vor­drin­gen: Der He­lium­bal­lon steigt mit ei­ner GoPro-Vi­deo­ka­me­ra auf ei­ne Hö­he von etwa 30.000 Me­tern und nimmt in tro­cke­ner At­mo­sphä­re spek­ta­ku­lä­re Vi­deos vom Blauen Pla­ne­ten und der Erd­krüm­mung auf. Wäh­rend des Flu­ges wer­den zu­sätz­lich Druck- und Tem­pe­ra­tur­da­ten ge­spei­chert. Mit zu­neh­men­der Hö­he wird sich der am Bo­den 1,8 Me­ter mes­sen­de Gum­mi­bal­lon auf bis zu acht Me­ter aus­deh­nen – und dann plat­zen. Wäh­rend des Stur­zes ent­fal­tet sich au­to­ma­tisch der Fall­schirm und bringt die Son­de si­cher zur Er­de.

For­schungs­ge­gen­stand Stra­to­sphä­re

Die zwi­schen der un­ters­ten Schicht der Erd­at­mo­sphä­re – der bis in 15 Ki­lo­me­ter Hö­he rei­chen­den Tro­po­sphä­re – und der obe­ren Me­so­sphä­re ge­le­ge­ne Stra­to­sphä­re ist als Teil der Ho­mo­sphä­re heu­te ver­stärkt im Blick der For­schung. Be­grenzt durch Tro­po­pau­se und Stra­to­pau­se reicht die Stra­to­sphä­re bis in ei­ne Hö­he von 50 Ki­lo­me­tern. Hier be­wirkt das UV-Strah­lung ab­sor­bie­ren­de Ozon ei­nen im Ver­gleich zur Tro­po­sphä­re „in­ver­si­ven“ Tem­pe­ra­tur­ver­lauf: Mit stei­gen­der Hö­he nimmt die Tem­pe­ra­tur im Mit­tel zu, im Be­reich der Ozon­schicht von -60 °C auf knapp un­ter 0 °C. Wis­sen­schaft­lich un­ter­sucht wird die Stra­to­sphä­re et­wa auf ex­tra­ter­res­tri­sche Mi­kro­or­ga­nis­men.

Die „Fas­zi­na­tion der Physik“ ist laut Schü­le­rin Han­nah Metz­ger An­sporn für das Pro­jekt „SpaceGG“. Das Akro­nym be­deu­tet „Space Gym­na­sium Gars“ und ist ei­ne An­spie­lung auf das pri­va­te US-ame­ri­ka­ni­sche Raum­fahrt­un­ter­neh­men „SpaceX“ (Space Ex­plo­ration Tech­no­lo­gies Cor­por­ation), des­sen Ziel die Ko­lo­ni­sa­tion des Mars ist. Die jun­gen For­scher des Gar­ser Gym­na­siums ha­ben sich drei Wo­chen auf den Flug vor­be­rei­tet, in­ten­siv mit Bal­lons, Son­den, Ka­me­ras und der At­mo­sphä­re be­schäf­tigt, ei­ne ei­ge­ne Son­de kon­stru­iert und sie mit Sen­so­ren, GoPro-Vi­deo­ka­me­ra, GPS-Tra­ckern, Logger und Fall­schirm be­stückt. Fi­nan­ziell ge­tra­gen wird das 500-Eu­ro-Pro­jekt vom För­der­ver­ein des Gym­na­siums. Be­reits vor ih­rem Flug hat die Son­de die Er­war­tun­gen von Phy­sik­leh­rer Ege­ler „über­trof­fen“. Die er­for­der­li­chen be­hörd­li­chen und ver­si­che­rungs­tech­ni­schen De­tails hat er ab­ge­klärt. Die Rech­te an den Auf­nah­men wer­den bei den Schü­lern lie­gen, sagt Han­nah. Ege­ler kann sich auch ei­ne spä­te­re Do­ku­men­ta­tion auf YouTube vor­stel­len.

Rück­hol­ak­tion ist „gro­ße Un­be­kann­te“

Span­nend wird al­ler­dings die Rück­hol­ak­tion wer­den, weiß Ege­ler. Die Wet­ter­la­ge soll beim Start den Prog­no­sen zu­fol­ge gut sein. In­des­sen ist un­ge­wiss, wie der Jetstream, die Stark­wind­bän­der in der obe­ren Tro­po­sphä­re, wir­ken. Kommt der Bal­lon in Tur­bu­len­zen, kann er schnell meh­re­re hun­dert Ki­lo­me­ter wei­ter­ge­tra­gen wer­den. Schwie­rig könn­te auch die Ber­gung der Son­de ver­lau­fen, wenn sie et­wa in un­zu­gäng­li­chem Ge­län­de ge­or­tet wird. Wo­rauf al­le hof­fen ist, dass mög­li­che Fin­der die Son­de in­klu­si­ve Spei­cher­kar­te re­tour­nie­ren. Leicht ist das je­den­falls: Die Son­de trägt ein Adress­eti­kett. 


Erstveröffentlichung

Print: Inn-Salz­ach blick, 10. Jg., Nr. 27/2018, Sams­tag, 7. Ju­li 2018, S. 2, Ko­lum­ne „Lo­ka­les“ [158/3/1/1].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mitt­woch, 4. Ju­li 2018; ⭱ E-Paper Inn-Salz­ach blick, Sams­tag, 7. Ju­li 2018. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2020.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker