Kostenfreie Fortbildung des Landratsamtes Mühldorf a.Inn
Interkulturelle Gesundheitslotsen gesucht
Mühldorf a.Inn — Das deutsche Gesundheitssystem kann für Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte herausfordernd sein: Sprachliche Barrieren, kulturelle Unterschiede und komplexe Strukturen können Hürden beim Zugang zu medizinischer Versorgung und Gesundheitsdiensten darstellen. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, sollen im Rahmen der Bildungsinitiative „Lernen vor Ort“ Interessenten im Landkreis Mühldorf a.Inn von Februar bis April zu kompetenten „Gesundheitslotsen“ ausgebildet werden. Die Interessenten sollen idealerweise selbst einen „multikulturellen Hintergrund“ haben sowie die deutsche und mindestens eine weitere Sprache beherrschen. Die Aufgabe der ehrenamtlichen Wegbegleiter werde sein, über Angebote und Hilfsdienste im Landkreis zu informieren, bei Gesundheitsfragen und Arztbesuchen zu dolmetschen sowie sprachliche und kulturelle Brücken zu bauen, „damit niemand verloren geht“. Laut Landratsamt sollten die designierten Lotsen „Freude am Kontakt mit Menschen und Einfühlungsvermögen haben wie auch den Wunsch, anderen den Zugang zu Gesundheitsleistungen erleichtern zu wollen“.
Wegweiser
- Stabsstelle „Lernen vor Ort“: Handlungsfelder
- Fortbildungsreihe: Wegbegleiter im Gesundheitswesen
- Interessenten: Vorkenntnisse nicht erforderlich
- Gesundheitslotse: „sinnvolles Ehrenamt“
Stabsstelle „Lernen vor Ort“: Handlungsfelder
Bildung ist im Landkreis Mühldorf a.Inn dem Landrat als Stabsstelle „Lernen vor Ort“ zugeordnet. Die Stabsstelle soll einerseits mit Zuständigkeiten in der Verwaltung und den Kommunen des Landkreises sowie Akteuren und Trägern vor Ort zusammenarbeiten, andererseits im Bildungsbereich anhand von Handlungsfeldern Strukturen entwickeln. Dazu ist die Stabsstelle organisatorisch mittels Patensystem mit der Kernverwaltung verzahnt, jedes ihrer Handlungsfelder über einen Paten mit einer Führungskraft aus dem Landratsamt oder dem Schulamt verbunden.
Zwölf Themen- und Arbeitsfelder hat die Stabsstelle im Blick: Sie reichen von „Bildungsmonitoring und Datenmanagement“, „Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)“ sowie „Digitale Bildung“ über „Ausbildung und Arbeit“, „Studium und Hochschule“, „Inklusion“ nebst „Familienstützpunkte und Familienbildung“ bis hin zu „Ausbildungsakquise“, „Jobbegleitung“, „Deutsch lernen und Sprachförderung“, „Integrationslotsen“ und „Informationen für Neuzugewanderte“. Die letzten fünf Felder adressieren die Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund. So bezweckt etwa die „Integrative Bildung“ erstens die Verstetigung der Integrationslotsen-Struktur, zweitens die Implementierung der Themen Integration, Migration und Inklusion in die Bildungsarbeit sowie drittens die Sprachförderung für Migranten.
Fortbildungsreihe: Wegbegleiter im Gesundheitswesen
Die hauptamtliche Integrationslotsin am Landratsamt Mühldorf a.Inn Jelena Djakovic ist Ansprechpartnerin, Unterstützerin und Begleiterin für freiwillig Engagierte aus dem Bereich Asyl, Migration und Integration. Da das deutsche Gesundheitssystem nach Ansicht des Landratsamtes für Zuwanderer eine Herausforderung darstellen könne – besonders für jene, die mit sprachlichen Hürden, kulturellen Unterschieden und neuen Strukturen konfrontiert seien –, soll diesem Umstand im Rahmen der Bildungsinitiative „Lernen vor Ort“ mit einer kostenfreien Fortbildungsreihe begegnet werden: „Wir möchten Menschen befähigen, anderen Menschen zu helfen“, beschreibt Djakovic das Ziel, Interessierte im Frühjahr zu kompetenten Wegbegleitern auszubilden. Diese „Gesundheitslotsen“ genannten Wegbegleiter sollen dann etwa bei Arztbesuchen dolmetschen, Hilfsdienste des Landkreises erläutern und Orientierung im deutschen Gesundheits- und Vorsorgesystem geben.
Mit Stand vom 24. Januar 2025 befanden sich im Landkreis Mühldorf a.Inn insgesamt 1.988 Personen in dezentralen oder Gemeinschaftsunterkünften sowie in der Ankereinrichtung in Waldkraiburg (zum Vergleich 19. Januar 2024: 1.928 Personen). Davon lebten in dezentralen Unterkünften 1.219 Personen – darunter 461 mit ukrainischer Staatsangehörigkeit –, in Gemeinschaftsunterkünften 319 Personen und in der Ankereinrichtung bis zu 450 Personen, wobei Personen aus der Ukraine, die privat untergebracht seien, unberücksichtigt sind. Nach Auskunft des Landratsamtes Mühldorf a.Inn wird entsprechend der Erfahrung mit ehrenamtlichen Integrationslotsen „gerade zu Beginn der Bedarf der Menschen größer sein als die Anzahl der Gesundheitslotsen“.
Gesundheitslotsen sind bekannt aus dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM): Im Unternehmen fungieren sie für ihre Kollegen als Ansprechpartner zu Fragen rund um die Gesundheit am Arbeitsplatz. Das Interkulturelle Betriebliche Gesundheitsmanagement (IBGM) ist dabei auf die Bedürfnisse von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund zugeschnitten. Der Freistaat Bayern bildet wiederum seit 2008 an mittlerweile 22 Standorten „aufgeschlossene, engagierte und gut integrierte Migrantinnen und Migranten“ zu „interkulturellen Gesundheitsmediatorinnen und -mediatoren“ aus. Das entsprechende „MiMi-Gesundheitsprojekt Bayern: Mit Migranten für Migranten (MiMi) – Interkulturelle Gesundheit in Bayern“ wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention im Rahmen der Landesinitiative „Gesund.Leben.Bayern.“ gefördert sowie vom Unternehmen MSD Sharp & Dohme GmbH unterstützt. Die Einwanderer erhalten eine 50-stündige Schulung zu Gesundheits- und Präventionsthemen, die sie mit einer Praxisprüfung abschließen. Danach sollen sie innerhalb ihrer migrantischen Gemeinschaften durch muttersprachliche Veranstaltungen über Gesundheit und Vorsorge informieren und über Themen wie Impfschutz, Kindergesundheit und Diabetes aufklären.
Interessenten: Vorkenntnisse nicht erforderlich
Das Projekt in Mühldorf a.Inn hat indes bundesweit Vorbilder, etwa in Berlin, Braunschweig, Essen, Frankfurt/Main, Freiburg, Hamburg, Kiel, München, Leipzig, Lübeck, Neumünster und Regenburg. So bieten beispielsweise das Gesundheitsamt im Referat Soziales und gesellschaftliche Integration der Landeshauptstadt Stuttgart oder die Kreisintegrationsstelle des Landkreises Karlsruhe Veranstaltungen für oder von Gesundheitslotsen für Migranten an. Stuttgart unterstreicht allerdings, dass diese Gesundheitslotsen weder medizinisches Fachpersonal seien, noch Ärzte und Psychologen ersetzten oder Einzelfallhilfe leisteten. Das Landratsamt Karlsruhe schult die ehrenamtlichen Gesundheitslotsen in mehrmonatigen Kompaktkursen digital und in Präsenz. Die Behörde geht davon aus, die Ehrenamtler „geben ihr Wissen im Anschluss an die Qualifizierungen idealerweise bei Informationsveranstaltungen oder im Rahmen von Einzelfallbegleitungen an die Zielgruppe weiter und bauen so die wichtigen Brücken in das Gesundheitssystem“.
Genauso wie das Landratsamt Karlsruhe wendet sich das Landratsamt Mühldorf a.Inn „idealerweise“ an Menschen mit „multikulturellem Hintergrund“ und Mehrsprachigkeit. Beide Landratsämter erklären, medizinische Vorkenntnisse seien nicht erforderlich. „Gesundheitslotsen spielen eine Schlüsselrolle, um sprachliche Barrieren abzubauen und eine Brücke zwischen Kulturen und Gesundheitseinrichtungen zu schlagen“, erläutert Djakovic.
Gesundheitslotse: „sinnvolles Ehrenamt“
Gesundheitslotse zu sein sei laut Landratsamt Mühldorf a.Inn ein „sinnvolles Ehrenamt“, das flexibel in den Alltag passe. Sprachkenntnisse und kulturelle Erfahrungen könnten „sinnvoll“ eingesetzt werden. Und den Lotsen werde „eine enge Begleitung“ und Ansprechpartnerin geboten. Mit der Fortbildungsreihe leiste „Lernen vor Ort“ und der Landkreis Mühldorf a.Inn „einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Integration und Chancengleichheit im Gesundheitswesen“. Finanziert wird die Fortbildungsreihe durch die Stiftung der Kreissparkasse Mühldorf a.Inn, gefördert wird das Projekt aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (StMI).
Einschließlich Zertifikatsübergabe besteht sie aus sieben Abendterminen: Auf eine Einführung in das Gesundheitssystem am Mittwoch, 5. Februar, folgen die Themen „Frauen- und Kindergesundheit, Impfpflicht“ am Mittwoch, 12. Februar, sodann „Brücken bauen – Herausforderungen beim Dolmetschen im Gesundheitswesen“ am Mittwoch, 19. Februar, und „Techniken des Dolmetschens“ am Mittwoch, 26. Februar. Danach kommen die Themen „Interkulturelle Kompetenz im Gesundheitswesen“ am Mittwoch, 12. März, „Dolmetschen: Lernen und Anwenden in der Praxis“ am Mittwoch, 19. März, und die Zertifikatsübergabe am Donnerstag, 3. April. Die von praxisnahen Übungen begleitete Fortbildung läuft überwiegend im Haus der Wirtschaft, Töginger Straße 18d in Mühldorf a.Inn. Die Anmeldung erfolgt online unter ⭱ lra-mue.de. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Inn-Salzach blick, 16. Jg., Nr. 4/2025, Samstag, 25. Januar 2025, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“ [9+201/3/1/1].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mittwoch, 22. Januar 2025; ⭱ E-Paper Inn-Salzach blick, Samstag, 25. Januar 2025.
Publikationsverzeichnis: ⭲ Index 2025.