Petition gegen 120 km/h-Tempolimit auf der Isentalautobahn
Hanslmayer: „Schikane aller Pendler“
Dorfen — Widerstreit um ein 120 km/h-Tempolimit auf der Isentalautobahn: Lärmgeplagte Anwohner und Kommunalpolitiker fordern eine Geschwindigkeitsbegrenzung für den neuen Teilabschnitt der Autobahn 94 zwischen Pastetten und Heldenstein, Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder (CSU) unterstützt dies, doch Christian Hanslmayer will eben dieses Tempolimit via Petition auf www.change.org verhindern. Innerhalb einer Woche zählt die Online-Abstimmung des 24-Jährigen an den Ministerpräsidenten bereits rund 14.000 Unterstützer. Deren Beweggründe ähneln sich.
Wegweiser
Lärmschutz im Fokus
Der ⭲ A 94-Lückenschluss zwischen Pastetten im Landkreis Erding und Heldenstein im Landkreis Mühldorf a.Inn steht seit seiner Eröffnung Ende September 2019 in der Kritik. Der Teilabschnitt der A 94 soll die Bundesstraße 12 von München in Richtung Passau entlasten. Bürgerinitiativen und Naturschützer hatten den Bau als ein besonders drastisches Beispiel für eine verfehlte Verkehrspolitik der Staats- und Bundesregierung in Zeiten der ⭲ Klimakrise und des ⭲ Artensterbens kritisiert. Die Klagen der Anwohner über unerträgliche Lärmbelästigung beschäftigten inzwischen den Verkehrsausschuss des Bayerischen Landtags. Verkehrsminister Dr. Hans Reichart und Ministerpräsident Dr. Markus Söder (beide CSU) versprachen eine eingehende Prüfung. Bei einem Treffen mit rund einhundert Anwohnern auf einem Pferdehof im Weiler Hammersdorf, Landkreis Erding, kündigte Söder letzte Woche schließlich an, Lärmschutzwände würden errichtet und besonders laute Fahrbahnbeläge gegebenenfalls ausgetauscht. Obendrein soll ab 1. Februar ein Tempolimit von 120 km/h angeordnet werden für einen Versuchszeitraum, in dem Lärmmessungen durchgeführt und Fachgutachten erstellt werden. Auf welchen Abschnitten die Geschwindigkeitsbegrenzung gelten soll, werde noch festgelegt.
Der Landesvorsitzende vom „BUND Naturschutz in Bayern e. V. (BN)“, Richard Mergner, begrüßte Söders Ankündigung über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Ein guter Anfang und bald hoffentlich die Kehrtwende zum Einsatz der CSU für ein generelles Tempolimit und keine weiteren unnötigen und Landschaft zerstörenden Autobahnen in Bayern“, notierte Mergner. ÖDP-Kreisrat und Listenführer Reinhard Retzer unterstrich, dem Schutz von Anwohnern und Umwelt vor den Belastungen der A 94 müsse Vorrang eingeräumt werden „vor dem Wunsch nach freier Raserei“: „Wir stehen hinter der sofortigen Einführung von Tempo 120! Angesichts der Klimadebatte wäre etwas mehr Bescheidenheit angebracht. Vor einem halben Jahr musste man sich noch mit Konvoi-Tempo 80 auf der B 12 zufrieden geben“, erklärte Retzer. Zugleich forderte der Kreisrat eine Überprüfung der Faktenlage gemäß Kreistagsbeschluss vom 13. Dezember 2019: „Autobahnbetreiber und Autobahndirektion müssen die Akten auf den Tisch legen“, so Retzer. Doch gegen das angekündigte Tempolimit regt sich Widerstand. So soll die Petition „Tempolimit 120 km/h an der A 94 stoppen“ die Geschwindigkeitsbegrenzung verhindern. Initiator Christian Hanslmayer verweist dabei auf die geringe Zahl der betroffenen Anwohner und die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h.
Höchstgeschwindigkeit vs. Richtgeschwindigkeit
Auf deutschen Autobahnen gilt neben zulässigen Höchstgeschwindigkeiten eine empfohlene Richtgeschwindigkeit von 130 km/h, wenn es die Verkehrslage zulässt. Davon betroffen sind alle Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht bis zu 3,5 Tonnen, ausgeschlossen Lastkraftwagen, für die 80 km/h vorgeschrieben sind, teils auch 100 km/h. Eine Missachtung der Richtgeschwindigkeit zieht allerdings keine verkehrsrechtlichen Konsequenzen nach sich, weil dies weder eine Ordnungswidrigkeit noch eine Straftat darstellt: Wird die Richtgeschwindigkeit überschritten, drohen weder Bußgelder noch Punkte, solange niemand geschädigt wird.
Hanslmayer, dessen Elternhaus unweit der B 12 liegt, fordert in seiner Petition, anstatt ein Tempolimit anzustreben, gleich Flüsterasphalt und Lärmschutz in Betracht zu ziehen. Die Lärmbelastung rührte vom inakzeptablen Fahrbahnbelag, vom schlecht umgesetzten Lärmschutz und vom „zu hohen Kraftverkehr“ her, woran eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h nichts änderte. Sein Fazit: „Ein Schnellschuss und die billigste Lösung für den Freistaat.“ Ein Tempolimit wäre somit eine „Schikane aller Pendler, die schnell von A nach B kommen wollen“. Ähnlich argumentieren die Unterzeichner der Petition: Die durch das hohe Verkehrsaufkommen verursachte Lärmbelastung werde durch ein Tempolimit nicht verringert, so der Tenor der Kommentare. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Inn-Salzach blick, 11. Jg., Nr. 3/2020, Samstag, 18. Januar 2020, S. 1/5, Kolumne „Leitartikel“ (Kurzfassung) [142/3/1/6].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mittwoch, 15. Januar 2020; ⭱ E-Paper Inn-Salzach blick, Samstag, 18. Januar 2020. Stand: Neujahr, 1. Januar 2024.