Bachabkehr und fischbiologische Erhebung in Bruckmühl und Feldkirchen
Borloni: „Die Vermüllung unserer Gewässer ist enorm“

Rosenheim — Über 500 Forellen, 200 Hechte und 20 Äschen hat der Kreis­fi­sche­rei­ver­ein Bad Aibling vom durch­wat­ba­ren Triftbach-Kanal im Be­reich der Markt­ge­mein­de Bruckmühl in die Mangfall um­ge­setzt. Für das ar­beits­auf­wen­di­ge Ab­fi­schen des zehn Ki­lo­me­ter lan­gen Stre­cken­ab­schnitts zwi­schen Bruckmühl und Feldkirchen-Westerham be­nö­tig­ten die drei Teams mit ins­ge­samt 70 er­fah­re­nen Ver­eins­mit­glie­dern rund neun Stun­den. Mo­na­te­lan­ge Vor­be­rei­ten wa­ren der et­wa 15.000 Eu­ro teu­ren Groß­ak­tion voran­ge­gan­gen. Die Ab­fi­schung ist not­wen­dig we­gen der Bach­ab­kehr al­le vier Jah­re, bei der das Was­ser ab­ge­las­sen wird, um die Bach­läu­fe zu rei­ni­gen und die Ufer in­stand zu set­zen. Der Kreis­fi­sche­rei­ver­ein führt die Fisch­ret­tung mit­tels Elek­tro­fi­sche­rei durch und er­mit­telt im Fliess­ge­wäs­ser zu­gleich die Fisch­dich­te, wel­che dem Land­rats­amt Ro­sen­heim ge­mel­det wird. Marco Borloni, Vor­sit­zen­der des Kreis­fi­sche­rei­ver­eins Bad Aib­ling, ist über die ak­tuel­len Er­geb­nis­se er­staunt. Zu­gleich ap­pel­liert er an das Um­welt­be­wusst­sein je­ner, die die Ge­wäs­ser nut­zen.

Die 58 Kilometer lange Mangfall, Abfluss des Tegernsees, mün­det in Rosenheim in den Inn. Im Mit­tel­al­ter be­gann die Ver­bauung des Flus­ses, da­mit Müh­len die Was­ser­kraft nut­zen konn­ten. Die bau­li­chen Maß­nah­men wur­den im 19. Jahr­hun­dert zur Un­ter­stüt­zung der Holz­trift fort­ge­setzt, da­mit in der Rosenheimer Sa­li­ne ge­nü­gend Holz zur Ver­fü­gung stand, um die aus den Salz­berg­wer­ken im Raum Reichenhall kom­men­de Salz­so­le zu sie­den und Spei­se­salz zu ge­win­nen. So ent­stan­den zwi­schen dem Tegernsee und Rosenheim zahl­rei­che Aus­lei­tun­gen: Die Ka­nä­le dien­ten der Ener­gie­ge­win­nung und er­leich­ter­ten den Fa­bri­ken die Holz­trift. Ein Teil des Was­sers wur­de bei­spiels­wei­se kurz vor Bruckmühl in den Triftbach-Kanal ge­lei­tet, wel­cher nach zehn Ki­lo­me­tern bei Bad Aibling wie­der in die Mangfall mün­det. In den letz­ten Jah­ren wur­den be­gra­dig­te Ufer der Mangfall durch um­fang­rei­che Re­na­tu­rie­rungs­maß­nah­men na­tur­nah mo­del­liert, so­dass im strö­mungs­ar­men Ufer­be­reich wie­der na­tür­li­che Le­bens­räu­me für Fisch­brut und Edel­kreb­se ent­stan­den. Heute sind die Mangfall­ka­nä­le für die Be­stands­er­hal­tung ge­nau­so wich­tig wie Be­satz­maß­nah­men der ört­li­chen Fi­sche­rei­ver­ei­ne.

Der knapp zehn Kilometer lange, bis zu 20 Meter brei­te Ab­schnitt zwi­schen Bruckmühl und Feldkirchen-Westerham wird vom Kreis­fi­sche­rei­ver­ein Bad Aib­ling be­wirt­schaf­tet. Dort le­ben ne­ben Bach­fo­rel­le und Re­gen­bo­gen­fo­rel­le auch Dö­bel (Aitel), Aal, Äsche und Hecht. Fisch­bio­lo­gi­sche Er­he­bun­gen des Fi­sche­rei­ver­eins do­ku­men­tie­ren Ar­ten­viel­falt und Zu­stand der Fisch­po­pu­la­tio­nen. Die Er­he­bun­gen sind un­ab­ding­ba­re Voraus­set­zung für rich­ti­ges Ma­na­ge­ment und Schutz der ge­fähr­de­ten Ar­ten. „Un­se­re ur­ei­ge­ne Auf­ga­be ist, den Fisch­be­stand zu he­gen und zu pfle­gen“, er­klärt Vor­sit­zen­der Marco Borloni. Sor­gen hat den Fi­schern heuer das Fisch­ster­ben im Früh­jahr und die lang an­hal­ten­de Hit­ze im Som­mer be­rei­tet: Je wär­mer das Was­ser, des­to we­ni­ger Sauer­stoff kann es bin­den. Die Fo­rel­le als Kalt­was­ser­fisch et­wa muss­te im Trift­bach Tem­pe­ra­tu­ren über­le­ben, die bis zu zehn Grad über ih­rer Ideal­tem­pe­ra­tur von et­wa 15 Grad la­gen. „Das ist für die Fo­rel­le ei­ne ab­so­lu­te To­des­zo­ne“, er­läu­tert Bor­lo­ni. Wie stark sol­che Er­eig­nis­se auf die Bio­di­ver­si­tät ein­wir­ken, er­grün­den die Fach­leu­te in klei­nen und mit­tel­gros­sen Fliess­ge­wäs­sern bei der Bach­ab­kehr ein­mal al­le vier Jah­re durch Elek­tro­fi­schen. Die hier­bei er­ho­be­ne Sta­tis­tik über­mit­telt der Ge­wäs­ser­wart an das Land­rats­amt Ro­sen­heim.

Doppelte Abfischung: elektrisch und manuell

Elektrofischerei – auch Pulsfischerei, E-Fischen oder E-Befischung ge­nannt – ist ei­ne ge­neh­mi­gungs­pflich­ti­ge Me­tho­de zum Fang von Fi­schen. Da­bei wird mit Hil­fe ei­nes fach­ge­recht an­ge­wand­ten Elek­tro­fang­ge­rä­tes ein Gleich- oder Im­puls­strom durch das Was­ser ge­lei­tet, um Fi­sche an die Was­ser­ober­flä­che zu be­för­dern. Die im Strom­kreis be­find­li­chen Fi­sche schwim­men zum Plus­pol, wo gro­ße Fi­sche zü­gig ein­ge­sam­melt wer­den. Fisch­be­stän­de las­sen sich da­mit scho­nend er­fas­sen, un­ter­su­chen und um­set­zen. Die von ge­prüf­ten Fach­kräf­ten mit Elek­tro­fi­sche­rei­schein an­ge­wand­te Me­tho­de eig­net sich be­son­ders für Ge­wäs­ser, die mit an­de­ren Fang­me­tho­den nicht zu­frie­den­stel­lend be­fisch­bar sind.

Idealer Zeitpunkt für das elektrische Fischen ist zwischen En­de Au­gust und An­fang Ok­to­ber. Spät­som­mer und Früh­herbst bie­ten für fisch­bio­lo­gi­sche Er­he­bun­gen die bes­ten Be­din­gun­gen: nie­dri­ge Fliess­ge­schwin­dig­kei­ten, ruhi­ge Was­ser­ober­flä­chen und gu­te Sicht­tie­fen. Ge­fischt wird nach Mög­lich­keit fluß­auf­wärts, um die Sicht frei zu hal­ten von auf­ge­wir­bel­tem Schlamm. Der Kreis­fi­sche­rei­ver­ein Bad Aib­ling setz­te heuer sechs Trans­port­fahr­zeu­ge mit je­weils ein­tau­send Li­ter fas­sen­den Fisch­be­häl­tern in­klu­si­ve Sauer­stoff­ver­sor­gung ein, zu­dem TÜV-ge­prüf­te Elek­tro­fang­ge­rä­te so­wie ei­nen Sa­ni­täts­dienst. 500 Me­ter hin­ter den Elek­tro­fi­scher-Teams be­fan­den sich Jung­fi­scher, die durch­ge­flutsch­te Fi­sche ma­nu­ell mit Ke­schern, Net­zen mit Rah­men und Griff, ein­fin­gen.

Schutz des Tierbestandes

Neben den heimischen Flußfischen Forelle und Äsche waren die Kreisfischer erstaunt, vie­le Hech­te vor­zu­fin­den, der Größ­te über ei­nen Me­ter lang: In Öko­sys­te­men, in de­nen die Fo­rel­le hei­misch ist, gilt der Hecht als „Schad­fisch“ und muss ent­nom­men wer­den. Wäh­rend die hei­mi­schen Fi­sche in die Mang­fall um­ge­setzt wur­den, fan­den die Hech­te in den Bag­ger­seen Hög­lin­ger Wei­her und Lau­ser Wei­her ei­ne neue Blei­be. Un­ge­wöhn­lich ist laut Bor­lo­ni auch, im Ka­nal Zan­der zu ent­de­cken. Hecht wie Zan­der ent­stam­men ver­mut­lich dem Stau­see Va­gen. Bei ei­nem Not­aus der Kraft­werks­tur­bi­nen schießt Was­ser in die Mangfall samt Fi­schen. Der Kreis­fi­sche­rei­ver­ein hat mit den Be­trei­bern zu­dem ein Ab­kom­men, dass der Trift­bach stets Rest­was­ser führt, so­dass Kleinst­fi­sche und Fisch­nähr­tie­re über­le­ben kön­nen. Grund: Fie­le der Ka­nal tro­cken, dauer­te es Mo­na­te, ehe wie­der Fi­sche aus­ge­setzt wer­den könn­ten. Wür­den wie­de­rum in ei­nem tro­cken fal­len­den Ka­nal kei­ne Fi­sche ent­nom­men, gli­che das Tier­quä­le­rei.

„Wir schützen den Tierbestand nach Kräften“, betont Borloni. Die na­tür­li­che Re­pro­duk­tion al­lei­ne wür­de den Be­stand al­ler­dings nicht si­chern. Bei­spiels­wei­se lai­che die stark be­droh­te Äsche nur in je­nem Ge­biet, in dem sie auf­ge­wach­sen sei. Sie ist folg­lich nicht be­lie­big um­setz­bar. „Nur dank un­se­rer Be­satz­maß­nah­men ist der Fisch­be­stand in Ord­nung“, kon­sta­tiert der Ex­per­te. Den­noch be­küm­mern die Kreis­fi­scher nicht nur Klima und na­tür­li­che Räu­ber wie Kor­mo­ra­ne.

Zweimal im Jahr säubern sie ihre Gewässer „ku­bik­me­ter­wei­se“ von Müll. Be­son­ders be­trof­fen: die Mangfall und der Höglinger Weiher. „Egal, wo­hin man schaut, über­all liegt ⭲ Plas­tik­müll am und im Ge­wäs­ser“, är­gert sich Borloni. Pick­ni­cker, Ba­de­gäs­te und An­woh­ner ver­hiel­ten sich acht­los. Und in Bruckmühl und Feldkirchen wür­den im­mer wie­der Grün­gut­ab­fäl­le in der Mangfall ent­sorgt, was so­gar straf­bar sei. Denn jeg­li­cher Pflan­zen­ein­trag in ein Ge­wäs­ser för­de­re Al­gen­wachs­tum und Ver­schlam­mung, re­du­zie­re den Sauer­stoff­ge­halt, ver­nich­te Laich­plät­ze und Kleinst­le­be­we­sen. Stei­ge dann noch die Was­ser­tem­pe­ra­tur, ver­en­de­ten die Fi­sche mas­sen­wei­se. Borloni wünscht sich da­her, dass der Grund­satz der Kreis­fi­scher auch für je­den an­dern gel­ten soll­te: „Wir ver­las­sen den Platz sau­be­rer als wir ihn vor­fin­den.“ 


Erstveröffentlichung

Print: Ro­sen­hei­mer blick, Mang­fall­ta­ler blick, 32. Jg., Nr. 43/2018, Sams­tag, 27. Ok­to­ber 2018, S. 1f., Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ [206/5/2/8+7]; Inn­ta­ler blick, Was­ser­bur­ger blick, 32. Jg., Nr. 43/2018, Sams­tag, 27. Ok­to­ber 2018, S. 22, Ko­lum­ne „Re­gio­na­les“ [206/5/2/7].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Diens­tag, 23. Ok­to­ber 2018; ⭱ E-Paper Ro­sen­hei­mer blick, ⭱ E-Paper Inn­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Mang­fall­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Was­ser­bur­ger blick, Sams­tag, 27. Ok­to­ber 2018. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2021.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker