Streit um Datenschutz in der Schule
Fotografierverbot wegen der EU-DSGVO?

Brüssel / München — Misstrauische Er­zie­hungs­be­rech­tig­te, ein­ge­schüch­ter­te Lehr­kräf­te, ver­un­si­cher­te Schul­di­rek­to­ren: Ei­ni­ge Er­zie­hungs­be­rech­tig­te ver­wei­gern ei­ne da­ten­schutz­recht­li­che Ein­wil­li­gung, wo­nach Lehr­kräf­te Fo­tos von der Ein­schu­lung und von Schul­klas­sen an­fer­ti­gen und ver­öf­fent­li­chen kön­nen. Man­che Di­rek­to­ren er­las­sen so­gar ein ge­ne­rel­les Fo­to­gra­fier­ver­bot, vor­geb­lich aus da­ten­schutz­recht­li­chen Grün­den. Sind sol­che Fo­tos nun ein Da­ten­schutz­ver­stoß, gar ver­bo­ten durch die Eu­ro­päi­sche Daten­schutz­grundverordnung?

Wegweiser

Erfordernis einer datenschutzrechtlichen Einwilligung

Allgemein gilt: Die im Schulbetrieb zwangsläufig er­ho­be­nen und ver­ar­bei­te­ten per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten un­ter­lie­gen be­son­de­rem Schutz. Für Er­he­bung und Ver­ar­bei­tung von Da­ten, die nicht zwin­gend er­for­der­lich sind, wird ei­ne da­ten­schutz­recht­li­che Ein­wil­li­gung be­nö­tigt – in der Re­gel von den Er­zie­hungs­be­rech­tig­ten, wenn die Schü­ler min­der­jäh­rig sind. Wer­den di­gi­ta­le Hilfs­mit­tel ge­nutzt, ist die Da­ten­si­cher­heit zu gewährleisten.

Abbildungen natürlicher Personen sind per­so­nen­be­zo­ge­ne oder per­so­nen­be­zieh­ba­re Da­ten, wes­halb de­ren Er­he­bung und Ver­ar­bei­tung un­ter die gel­ten­den Da­ten­schutz­ge­set­ze fällt. Faust­re­gel: Im All­ge­mei­nen ist ge­stat­tet, an­de­re Per­so­nen auch oh­ne de­ren ex­pli­zi­te Ein­wil­li­gung ab­zu­bil­den, so­fern die Fo­tos al­lein für den pri­va­ten Ge­brauch ge­dacht sind, die be­trof­fe­ne Per­son dem nicht ein­deu­tig wi­der­spricht und die Auf­nah­me kei­nen Ver­stoß ge­gen die all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­rech­te dar­stellt. Da­ge­gen ist die Ver­brei­tung re­gel­mä­ßig nur zu­läs­sig, wenn die ab­ge­bil­de­te Per­son hie­rin ein­ge­wil­ligt hat, be­grün­det im Recht am ei­ge­nen Bild. Der Ver­stoß ge­gen das gel­ten­de Recht kann mit ei­ner Frei­heits­stra­fe oder Geld­stra­fe ge­ahn­det werden.

Die Europäische Datenschutzgrundverordnung – kurz: EU-DSGVO – ent­hält EU-weit gül­ti­ge Vor­schrif­ten zum Schutz na­tür­li­cher Per­so­nen bei der Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten und zum freien Ver­kehr sol­cher Da­ten. Im De­tail re­gelt die EU-DSGVO die voll­stän­dig oder teil­wei­se au­to­ma­ti­sier­te Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten so­wie die nicht­au­to­ma­ti­sier­te Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten, die in ei­nem struk­tu­rier­ten Da­tei­sys­tem ge­spei­chert sind.

Regelungen der EU-DSGVO

Die EU-DSGVO hat das ⭲ Da­ten­schutz­recht in der Eu­ro­päi­schen Union har­mo­ni­siert und mo­der­ni­siert. Hier­nach ge­hö­ren zu den da­ten­schutz­recht­li­chen Grund­prin­zi­pien das „Ver­bot mit Er­laub­nis­vor­be­halt“, die „Da­ten­ver­mei­dung und Da­ten­spar­sam­keit“, die „Zweck­bin­dung“ und die „Trans­pa­renz“. Die EU-DSGVO wid­met ei­nen ih­rer 99 Ar­ti­kel auch ei­ner Be­griffs­be­stim­mung der ver­wen­de­ten Aus­drü­cke. So sind per­so­nen­be­zo­ge­ne Da­ten al­le In­for­ma­tio­nen, die sich auf ei­ne iden­ti­fi­zier­te oder iden­ti­fi­zier­ba­re na­tür­li­che Per­son be­zie­hen (Art. 4 Abs. 1 DSGVO). Da­nach gel­ten na­tür­li­che Per­so­nen als iden­ti­fi­zier­bar „mit­tels Zu­ord­nung zu ei­ner Ken­nung wie ei­nen Na­men, zu ei­ner Kenn­num­mer, zu Stand­ort­da­ten, zu ei­ner On­line-Ken­nung oder zu ei­nem oder meh­re­ren be­son­de­ren Merk­ma­len, die Aus­druck der phy­si­schen, phy­sio­lo­gi­schen, ge­ne­ti­schen, psy­chi­schen, wirt­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len oder so­zia­len Iden­ti­tät“ sind.

Verarbeitung ist das automatisierte und das nicht­au­to­ma­ti­sier­te Er­he­ben, Er­fas­sen, Or­ga­ni­sie­ren, Ord­nen, Spei­chern, An­pas­sen, Ver­än­dern, Aus­le­sen, Ab­fra­gen, Ver­wen­den, Of­fen­le­gen durch Über­mitt­lung, das Ver­brei­ten oder die Be­reit­stel­lung, der Ab­gleich oder die Ver­knüp­fung, die Ein­schrän­kung, das Lö­schen oder die Ver­nich­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten (Art. 4 Abs. 2 DSGVO). Fest­zu­hal­ten ist: Die Dar­le­gungs­last für die Not­wen­dig­keit ei­nes Ein­griffs in das Recht auf in­for­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung liegt bei dem­je­ni­gen, der die­sen Ein­griff vor­neh­men will. Fol­ge: Die Da­ten­ver­ar­bei­tung ist nur dann zu­läs­sig, wenn ei­ne Ein­wil­li­gung der be­trof­fe­nen Per­son oder ei­ne be­stimm­te Aus­nah­me vor­liegt, et­wa um le­bens­wich­ti­ge In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Per­son zu schützen.

Datenschutzrecht fordert keine Fotografierverbote

Die EU-DSGVO formuliert bündig, die Verordnung findet kei­ne An­wen­dung auf die Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Da­ten durch na­tür­li­che Per­so­nen zur Aus­übung aus­schließ­lich per­sön­li­cher oder fa­mi­liä­rer Tä­tig­kei­ten (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO). Die­se so­ge­nann­te „Haus­halts­aus­nah­me“ be­deu­tet: Fo­tos, die et­wa auf Fa­mi­lien­feiern und Schul­ver­an­stal­tun­gen an­ge­fer­tigt wer­den und nur der ei­ge­nen, per­sön­li­chen Er­in­ne­rung die­nen, sind er­laubt. Des­halb stellt Rechts­an­walt David Seiler, der auf Fo­to­recht spe­zia­li­siert ist, in sei­nem Blog www.fotorecht-seiler.eu klar: „Das Da­ten­schutz­recht, die DSGVO, for­dert kei­ne Fo­to­ver­bo­te an Schu­len und Kin­der­gär­ten. Für pri­va­te Er­in­ne­rungs­zwe­cke darf aus da­ten­schutz­recht­li­cher Sicht wei­ter­hin wie bis­her fo­to­gra­fiert wer­den, so­lan­ge nicht die Ver­öf­fent­li­chung der Fo­tos, z. B. in so­zia­len Netz­wer­ken, be­ab­sich­tigt ist bzw. er­folgt und so­lan­ge nicht auf­grund des Haus­rechts ein Fo­to­gra­fier­ver­bot ver­hängt wurde.“

Grund: Das Datenschutzrecht gelte „nicht für pri­va­te Da­ten­ver­ar­bei­tun­gen und da­mit auch nicht für die pri­va­ten Er­in­ne­rungs­fo­tos von der Ein­schu­lung der ei­ge­nen Kin­der und zwar auch dann nicht, wenn an­de­re Kin­der oder sons­ti­ge Per­so­nen mit auf den Fo­tos ab­ge­bil­det sind“. Lehr­kräf­te er­hal­ten auf der Web­site www.datenschutz-schule.info von Dirk Thiede, be­hörd­li­cher Da­ten­schutz­be­auf­trag­ter für die Schu­len im Kreis Olpe, Nord­rhein-West­fa­len, wei­te­re Hin­wei­se für Lö­sun­gen im schu­li­schen All­tag, die meist auch in an­de­ren Bun­des­län­dern an­wend­bar sind. 


Erstveröffentlichung

Print: Ro­sen­hei­mer blick, Inn­ta­ler blick, Mang­fall­ta­ler blick, Was­ser­bur­ger blick, 32. Jg., Nr. 36/2019, Sams­tag, 7. Sep­tem­ber 2019, S. 1f., Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ [201/3/5/1]; Inn-Salz­ach blick, 10. Jg., Nr. 36/2019, Sams­tag, 7. Sep­tem­ber 2019, S. 1f., Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ [201/3/5/1].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mon­tag, 2. Sep­tem­ber 2019; ⤉ E-Paper Ro­sen­hei­mer blick, ⤉ E-Paper Inn­ta­ler blick, ⤉ E-Paper Mang­fall­ta­ler blick, ⤉ E-Paper Was­ser­bur­ger blick, ⤉ E-Paper Inn-Salz­ach blick, Sams­tag, 7. Sep­tem­ber 2019. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2024.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker