Geschäftsöffnung an Heiligabend
Mehrheit für Einkaufsverzicht
Stressfrei Shopping gehen: In Deutschland wird Einkaufen als traumhaftes Erlebnis inszeniert – zelebriert als Kombination entspannten Shoppings und qualitätsbetonten Freizeitvergnügens in optisch ansprechenden Einkaufsstraßen, schicken Malls und eleganten Kaufhäusern. Verlängerte Ladenöffnungszeiten, Late-Night-Shopping, verkaufsoffene Sonntage – sie gehören zum Lifestyle hipper Singles und agiler Families, sie steigern die Kauflaune und beleben die Innenstädte, sie kurbeln den Einzelhandel an und fördern die Globalisierung. Doch weil dieses Jahr Heiligabend auf einen Sonntag fällt, sollen die Ladentüren zum Finale der umsatzstarken Weihnachtswoche am 24. Dezember geschlossen bleiben – den Arbeitnehmern zuliebe. Jetzt ist um den Ladenschluss ein Streit entbrannt.
Die Gewerkschaft ver.di ruft Verbraucher zum Einkaufsverzicht an Heiligabend auf – Einzelhändler, die ihre Ladentüren am 24. Dezember öffnen, sollen an diesem Sonntag boykottiert werden: Ihr Verhalten sei „unglaublich zynisch“, meint ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger, denn auch die Verkäufer wollten sich „wie jeder andere auf das Weihnachtsfest vorbereiten und gemeinsam mit ihren Familien feiern“. Da sich die Einzelhandelsbeschäftigten kaum gegen die Arbeit an Heiligabend wehren könnten, sollten die Verbraucher ihrerseits Last-Minute-Weihnachtseinkäufe vermeiden, so der Tarifkoordinator Einzelhandel bei ver.di, Orhan Akman.
Wir müssen das Personal nicht mit Waffengewalt zur Arbeit zwingen,
denn es werden hohe Zulagen gezahlt.
Vier verkaufsoffene Sonntage bedeuten nicht den Untergang des Abendlandes.
Bernd Ohlmann, Pressesprecher vom Handelsverband Bayern e. V. (HBV), 7. Oktober 2017
Tatsächlich befürwortet die überwiegende Mehrheit der Deutschen solch einen Einkaufsverzicht: So sind 87,2 Prozent der Meinung, dass dieses Jahr die Geschäfte an Heiligabend nicht geöffnet sein sollten, 10,3 Prozent der Befragten sind für die Öffnung an diesem Sonntag und 1,5 Prozent in dieser Frage unentschieden. Die repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ⭱ Civey im Auftrag der WELT stellt zudem fest, dass mehr Frauen (91 Prozent) als Männer (83,9 Prozent) eine Öffnung ablehnen. Bei allen Parteianhängern ist obendrein die große Mehrheit dafür, die Geschäfte dieses Jahr an Heiligabend geschlossen zu halten: SPD 91,2 Prozent, LINKE 88,7 Prozent, CDU/CSU 88 Prozent, Bündnis 90/DIE GRÜNEN 86,2 Prozent, AfD 85,6 Prozent und FDP 81,1 Prozent. Umgekehrt ist der Anteil der Befürworter einer Öffnung unter den FDP-Anhängern am höchsten (15,4 Prozent) und bei jenen der SPD am niedrigsten (sieben Prozent).
Tarifliche Regelungen
Nach eigenem Bekunden hat ver.di erreicht, dass Heiligabend und Silvester grundsätzlich ganztags arbeitsfreie Tage seien: Tariflich sind beide Tage so zu bezahlen, als hätten die Beschäftigten regulär gearbeitet. Wer aus dienstlichen Gründen am 24. Dezember nicht freigestellt werden kann, dem wird an einem anderen Tag eine Arbeitsbefreiung erteilt, sonst ist ein Zeitzuschlag in Höhe von 100 Prozent zu zahlen. Gleiches gilt für den 31. Dezember, wobei hier die Freistellung zwingend ist und nicht abgegolten werden kann. Wer in Schicht oder Wechselschicht arbeitet, bekommt nach Möglichkeit an Heiligabend und Silvester frei.
Die Regelung der Ladenschlusszeiten ist Sache der Bundesländer: In einzelnen ist die zeitlich befristete Öffnung an Heiligabend zulässig, sofern vor allem Lebens- und Genussmittel im Angebot sind. Aktuell dürfen Geschäfte montags bis samstags von 6 Uhr bis 20 Uhr öffnen. Aus den Reihen der Freien Wähler in Bayern kommt indessen vom Landtagsabgeordneten Prof. Dr. Michael Piazolo der Vorschlag einer „maßvollen Anpassung“, wonach Geschäften werktags bis 22 Uhr erlaubt werden solle zu öffnen. Unterstützung dafür signalisieren FDP und Bündnisgrüne, SPD und CSU sehen hingegen keinen Bedarf. Derweil können auch in Bayern manche Geschäfte an Heiligabend bis 14 Uhr öffnen, selbst wenn der 24. Dezember auf einen Sonntag fällt: Für Blumenläden, Christbaum-Verkäufer und Supermärkte besteht eine Sonderregelung.
Einige Discounter sind geöffnet
Der Handelskonzern Aldi wird jedenfalls seine Filialen bundesweit geschlossen halten: „Am Heiligabend denken wir hier vor allem an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach einer langen, intensiven Woche in Ruhe das Weihnachtsfest begehen sollen“, begründet Aldi seine Entscheidung. Lidl lässt seine Türen am 24. Dezember ebenfalls verschlossen, obwohl Sonderregelungen eine Öffnung ermöglichen: „Unsere Mitarbeiter leisten tagtäglich hervorragende Arbeit. An Heiligabend sollen sie eine entspannte Zeit im Kreise ihrer Liebsten verbringen dürfen“, erklärt Marin Dokozic, Geschäftsleitungsvorsitzender von Lidl Deutschland. Bei Rewe bleiben von den mehr als 5.000 Supermärkten der Ketten Rewe und Penny die Filialmärkte geschlossen, wobei die rund 1.200 selbstständigen Kaufleute im Rewe-Netz frei über ihre Öffnungszeiten entscheiden können. Ähnlich sieht es beim Marktführer Edeka aus, bei dem die Mehrzahl der Märkte von Selbstständigen geführt wird. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 31. Jg., Nr. 45/2017, Samstag, 11. November 2017, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“; Inn-Salzach blick, 10. Jg., Nr. 45/2017, Samstag, 11. November 2017, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“ [135/3/–/8].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Samstag, 11. November 2017; ⭱ E-Paper Rosenheimer blick, ⭱ E-Paper Inntaler blick, ⭱ E-Paper Mangfalltaler blick, ⭱ E-Paper Wasserburger blick, ⭱ E-Paper Inn-Salzach blick, Samstag, 11. November 2017. Stand: Neujahr, 1. Januar 2021.