Waldkraiburgs Haushaltslage bedroht Großprojekte der Stadt
Zabelt: „Rettet das Waldbad!“

Waldkraiburg — Die Stadt Waldkraiburg ist in der „haus­halts­lo­sen Zeit“ fi­nan­ziell nur ein­ge­schränkt hand­lungs­fä­hig. Sie darf le­dig­lich Leis­tun­gen er­brin­gen, zu de­nen sie recht­lich ver­pflich­tet ist oder die für die Wei­ter­füh­rung not­wen­di­ger Auf­ga­ben un­auf­schieb­bar sind. Der Erste Bür­ger­meis­ter Robert Pötzsch be­grün­det die Lage mit einem ver­spä­tet ver­ab­schie­de­ten Kreis­haus­halt, der Höhe der Kreis­um­la­ge von 18 Mil­lio­nen Euro, er­höh­ten Energie- und Un­ter­halts­kos­ten sowie Aus­ga­ben, wel­che die Ein­nah­men der Stadt über­stie­gen. Von den Ein­schrän­kun­gen be­trof­fen sind ins­be­son­de­re die frei­wil­li­gen Leis­tun­gen: „Nach­dem un­ser Er­geb­nis­haus­halt im Mo­ment sehr deut­lich im Minus ist, dür­fen wir keine neuen Kre­di­te auf­neh­men“, er­klärt Pötzsch. Bis zum Aus­gleich des Haus­hal­tes müss­ten da­her alle Groß­pro­jek­te wie der Neu­bau des Rat­hau­ses und die Sa­nie­rung des Wald­ba­des „erst ein­mal auf Eis“ ge­legt wer­den. Die Ver­wal­tung sei be­auf­tragt, den Er­geb­nis­haus­halt zu über­prü­fen, ei­ne Ar­beits­grup­pe da­mit be­schäf­tigt, dem Stadt­rat Vor­schlä­ge für ei­ne Neu­struk­tu­rie­rung zu un­ter­brei­ten. Der För­der­ver­ein Wald­bad Waldkraiburg (FöVeWW) be­fürch­tet un­ter­des­sen, dass die Sa­nie­rung der Sport­stät­te aus Geld­man­gel zu ih­rem end­gül­ti­gen Ab­riss füh­ren könn­te. Im Ge­spräch mit Dr. Olaf Konstantin Krueger warnt das FöVeWW-Vor­stands­mit­glied Jürgen Zabelt vor die­sem „Schre­ckens­sze­na­rio“ und ap­pel­liert, das Wald­bad zu „retten“.

Wegweiser

„Haushaltslose Zeit“ in Waldkraiburg

Das Stadtfest Waldkraiburg, das traditionell am dritten Wochenende im Juni statt­fin­det, ist ⭲ ab­ge­sagt. Bür­ger­meis­ter Robert Pötzsch (UWG) be­dauert dies. Doch „obers­tes Ziel“ müs­se ein sta­bi­ler Haus­halt sein. Das be­stimmt im­mer­hin die Ge­mein­de­ord­nung für den Frei­staat Bayern. Erst wenn der Er­geb­nis­haus­halt aus­ge­gli­chen sei, könn­ten Pla­nun­gen wie die zum Neu­bau des Rat­hau­ses und zur Sa­nie­rung des Wald­ba­des an­ge­gan­gen wer­den, er­läu­tert Pötzsch. Ziel: Bis Jah­res­mit­te soll der städ­ti­sche Haus­halt be­schlos­sen sein. Heißt für das Wald­bad: Die Pfor­ten blei­ben die­ses Jahr geschlossen.

Dabei waren die letzten fünf Jahre schon turbulent: Die 2018 ge­führ­te De­bat­te über die Zu­kunft des Frei­ba­des hat­te im Zuge der ⭲ Bür­ger­be­geh­ren in Waldkraiburg und Aschau a.Inn zum ⭲ Er­geb­nis, dass an­stel­le des Baus ei­nes in­ter­kom­mu­na­len Schwimm­ba­des die be­ste­hen­de Sport­stät­te am jet­zi­gen Stand­ort er­hal­ten blieb und sa­niert wird. So feier­te der ⭲ För­der­ver­ein Wald­bad Waldkraiburg e. V. (FöVeWW) im Jahr 2021 froh­ge­mut ⭲ das 50-jäh­ri­ge Be­ste­hen der An­la­ge, die er auch in der ⭲ Corona-Krise nach Kräf­ten un­ter­stütz­te. Doch in der „haus­halts­lo­sen Zeit“ darf die Stadt keine neuen Kre­di­te auf­neh­men. „Es geht da­rum, un­se­re Aus­ga­ben zu sen­ken“, er­klärt Pötzsch bün­dig. FöVeWW-Vor­stands­mit­glied Jürgen Zabelt be­tont in­des die Wich­tig­keit ei­nes öf­fent­li­chen Bades in der zweit­größ­ten Stadt Südostoberbayerns.

Folgen für das Waldbad Waldkraiburg

Krueger. Was bedeutet die „haushaltslose Zeit“ für das drin­gend sa­nie­rungs­be­dürf­ti­ge Waldbad Wald­krai­burg?

Zabelt. Ohne die notwendigen Instandhaltungsarbeiten kann das Waldbad in die­ser Sai­son nicht ge­öff­net wer­den. Nach Aus­sa­ge von Stadt­rat und SPD-Frak­tions­vor­sit­zen­der Richard Fischer be­lau­fen sich die Ge­samt­kos­ten für die Pro­jekte Franz-Liszt-Schule, Rat­haus und Waldbad auf rund 100 Mil­lio­nen Euro. Die Stadt Waldkraiburg schwimmt aber nicht im Geld. Folge für des Waldbad: Der Neu­bau rückt in weite Ferne. Das größte Schre­ckens­sze­na­rio ist nun aber, dass die Sport­stät­te ab­ge­ris­sen wird, ohne dass noch Geld da ist, um eine neue zu bauen. Des­halb ver­tritt der FöVeWW seit sei­ner Grün­dung im Jahr 2016 den Stand­punkt, ei­ne schritt­wei­se Mo­der­ni­sie­rung sei die bes­se­re Lö­sung als ein schwer rea­li­sier­ba­rer, kos­ten­in­ten­si­ver Neubau.

Krueger. Wie stellen Sie sich eine schrittweise Mo­der­ni­sie­rung vor?

Zabelt. Ein Minimalbetrieb mit den dafür not­wen­di­gen Aus­gaben ist schnell um­setz­bar. Bei ei­nem Re­no­vie­rungs­plan wäre das Geld nicht ver­lo­ren, son­dern Teil der Re­no­vie­rung. Darüber hinaus ist mir un­ver­ständ­lich, wes­halb es teurer sein soll, ein be­ste­hen­des Becken tech­nisch neu aus­zu­stat­ten und mit Edel­stahl zu ver­klei­den, als ein Loch zu­zu­schüt­ten, wo­an­ders ein neues zu graben und dieses dann tech­nisch ge­nau­so aus­zu­stat­ten und mit Edel­stahl zu ver­klei­den. Kurz­um: Warum sol­len die ein­zig­ar­ti­ge Schwimm­arena, das Sport­becken, die Sprung­an­la­ge ab­ge­ris­sen wer­den? In­stand hal­ten, mo­der­ni­sie­ren, wie­der fit machen, ja – Ab­riss ohne kon­kre­te, rea­li­sier­ba­re Neu­bau­plä­ne, nein.

Krueger. Wie soll denn bei klammen Kassen die Re­no­vie­rung von­stat­ten­ge­hen?

Zabelt. Ich hoffe, dass sich alle Ver­ant­wort­li­chen in der Stadt an ihr ge­mein­sa­mes Ver­spre­chen hal­ten, das da heißt: „Es wird im­mer ein Frei­bad in Waldkraiburg geben.“ Der FöVeWW-Vor­stand hat darum in seiner letzten Sit­zung ein­stim­mig be­schlos­sen, an sie drei grif­fi­ge For­de­run­gen zu rich­ten: Ers­tens dür­fen funk­tions­tüch­ti­ge An­la­gen nicht zu­rück­ge­baut wer­den, zwei­tens muss die not­wen­di­ge Tech­nik schnell­stens in­stand­ge­setzt wer­den und drit­tens sind Becken und Ge­bäu­de schritt­wei­se zu renovieren.

Gesundheit – Sport – Freizeit

Krueger. Das Waldbad wurde 1971 im Vor­feld der Olympischen Spiele in München of­fi­ziell er­öff­net. Im Jahr sei­nes 50-jäh­ri­gen Be­ste­hens wurde der sport­li­chen und ge­sell­schaft­li­chen Er­eig­nis­se ge­dacht, die mit der Sport­stät­te ver­knüpft sind, wes­halb sich in­zwi­schen drei Ge­ne­ra­tio­nen mit dem Waldbad emo­tio­nal ver­bun­den füh­len. Was würde denn feh­len, wenn die Sport­stät­te tat­säch­lich zu­rück­ge­baut würde?

Zabelt. Die größte Stadt zwischen Landshut, Passau und Rosenheim ohne ei­ge­nes Frei­bad? Das will ich mir nicht vor­stel­len! Wir brau­chen das Waldbad wei­ter­hin als ge­ne­ra­tio­nen­über­grei­fen­des Fa­mi­lien­bad – als Frei­zeit- und Be­geg­nungs­stät­te, zur sport­li­chen Ak­ti­vi­tät bis ins hohe Alter, für die Ge­sund­heit aller und für den Ver­eins­sport. Den­ken wir an die Kinder: Nach den Corona-Maßnahmen und Lockdowns müs­sen wir fest­stel­len, dass im­mer we­ni­ger Kinder schwim­men kön­nen – ohne Waldbad würde dies noch schlim­mer. Den­ken wir an die Familien: Das Waldbad er­mög­licht Eltern in den Schul­ferien und Fa­mi­lien, die sich keine mehr­wö­chi­gen Ur­lau­be leis­ten kön­nen, die Frei­zeit­ge­stal­tung ihrer Kinder. Den­ken wir an die „Piranhas“: Der Schwimm­ver­ein des VfL Waldkraiburg er­hält hier Trai­nings­zei­ten. Und den­ken wir an den Wirt­schafts­stand­ort: Waldkraiburg pro­fi­tiert von der Sport­stät­te. Wenn Fach­kräf­te nach Waldkraiburg kom­men sol­len, müs­sen wir ihnen ein ent­spre­chen­des Um­feld für ihre Fa­mi­lien bie­ten, darun­ter Kin­der­gär­ten, Schu­len, Arzt­praxen, Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten, Sport- und Frei­zeit­an­la­gen – also auch das Waldbad.

Krueger. Bürgermeister Pötzsch führt als einen der Gründe für die der­zei­ti­ge haus­halts­lo­se Zeit er­höh­te Energie- und Un­ter­halts­kos­ten an. Der Stadt­rat de­bat­tier­te schon vor fünf Jah­ren über jähr­li­che Be­triebs­de­fi­zi­te des Waldbades in Höhe von bis zu 500.000 Euro. In der ak­tu­el­len Energie­krise, vor dem Hin­ter­grund der hohen In­fla­tions­ra­te und im Zuge der De­bat­te um Energie­ef­fi­zienz und „Klima­neu­tra­li­tät“ gibt ein Leit­fa­den der Deut­schen Ge­sell­schaft für das Ba­de­we­sen (DGfdB) ei­nen Fin­ger­zeig, wie Energie ein­ge­spart und Kos­ten ge­senkt wer­den könn­ten: Die Hand­lungs­emp­feh­lun­gen rei­chen von der Ab­sen­kung der Was­ser­tem­pe­ra­tur über spä­te­re Öff­nung be­heiz­ter Au­ßen­be­rei­che bis hin zum Schlie­ßen von Bädern. Gibt es beim Waldbad noch Einsparpotenzial?

Zabelt. Stichwort: Energieeffizienz. Das Waldbad wird seit Jah­ren durch die stadt­ei­ge­ne Geo­ther­mie um­welt­freund­lich ge­heizt. Stich­wort: Was­ser­ver­brauch. Nicht erst seit der Corona-Krise steigt die Zahl pri­va­ter Schwimm­be­cken. Wer es sich leis­ten kann, füllt und chlort sei­ne Becken. Der Was­ser­ver­brauch dafür ist enorm. In ei­ni­gen Re­gio­nen Frankreichs wer­den be­reits pri­va­te Bassins wegen aku­ten Grund­was­ser­man­gels ver­bo­ten. Auch wir wer­den mit die­sem Pro­blem frü­her oder spä­ter kon­fron­tiert sein. Und Stich­wort: Klima­neu­tra­li­tät. Das Waldbad wird von vie­len Waldkraiburgern auf­grund sei­ner gün­sti­gen Lage zu Fuß oder mit dem Rad besucht. Fällt es weg, wer­den viele nach Mühldorf, Töging, Garching oder Burghausen mit dem Auto fah­ren oder noch mehr Pools in den Gär­ten auf­stel­len. Darum ap­pel­lie­re ich lei­den­schaft­lich: Liebe Waldkraiburger, steht zu eu­rem Waldbad, un­ter­stützt die Arbeit des För­der­ver­eins, wirkt auf die Ent­schei­der ein. Und liebe Stadt­ver­ant­wort­li­chen, denkt an euer Ver­spre­chen: Rettet das Waldbad!

Krueger. Herr Zabelt, danke für das Gespräch. 


Erstveröffentlichung

Print: Inn-Salz­ach blick, 14. Jg., Nr. 19/2023, Sams­tag, 13. Mai 2023, S. 1–3, Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ [8+295/7/1/1].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mitt­woch, 10. Mai 2023; ⭱ E-Paper Inn-Salz­ach blick, Sams­tag, 13. Mai 2023. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2024.
Publikationsverzeichnis: ⭲ Index 2023.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker