35. Teilemarkt mit großem Oldtimertreffen in Mühldorf
Besucher sind „ein Querschnitt der Gesellschaft“
Mühldorf a.Inn — In der Kreisstadt Mühldorf a.Inn findet am 23. April der mittlerweile 35. Teilemarkt mit großem Oldtimertreffen statt. Die Veranstaltung gilt als größte ihrer Art in Bayern: Alljährlich kommen zum Rennbahngelände an der B12 etwa 10.000 Besucher und rund 400 Händler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, aus Tschechien, Polen, Ungarn und den Niederlanden. Ab 6 Uhr in der Früh dreht sich alles um die circa 1.000 ausgestellten Oldtimer – Pkw, Lkw, Motorräder, Traktoren, Feuerwehr- und Militärfahrzeuge – sowie um den Verkauf gesuchter Ersatzteile, kompletter Fahrzeuge und Modellautos. Verpflegt werden alle über einen bayerischen Festzeltbetrieb und Imbissstände. Dr. Olaf Konstantin Krueger im Gespräch mit Hans Feirer, 1. Vorstand des ausrichtenden „Oldtimerfreunde Mühldorf e. V. (OFM)“, und Markus Mandl, 2. OFM-Vorstand und Marktleiter Teilemarkt.
Wegweiser
„Sexappeal“ von Oldtimern
Krueger. Geht es um Autos, stimmen manche Klischees: Nach einer ⭲ Studie von MeinAuto.de kaufen Männer gerne PS-starke Neuwagen, Frauen bevorzugen eher Kleinwagen. Geht es wiederum um den sogenannten „Flirtfaktor“, steht laut einer Umfrage von YouGov fast jeder zweite weibliche Single auf ein BMW Cabrio, dicht gefolgt von einem gut gepflegten Oldtimer, der von Stil, Klasse und Wohlstand zeuge, sowie an dritter Stelle auf einen klassischen Jeep, der mit Safari, Wüste und Wildnis assoziiert werde. Welchen „Sexappeal“ verströmt ein Oldtimer aus Ihrer Sicht und wen zieht der Teilemarkt vornehmlich an?
Mandl (lacht). Offenbar habe ich alles richtig gemacht, als ich mir vor zwei Jahrzehnten ein gerade einmal 15 Jahre altes BMW E30 Cabrio günstig zugelegt habe. Seit meinem 18. Lebensjahr wollte ich mir ein solches Auto kaufen, doch zum damaligen Zeitpunkt war es für mich noch unerschwinglich. Manche fühlen sich bei Oldtimern auch in ihre Kindheit zurückversetzt, als beispielsweise Vater noch ein bestimmtes Auto fuhr, oder sie denken an ihren eigenen Erstwagen zurück.
Feirer. Oldtimer haben individuellere Formen als moderne Fahrzeuge, die sich sehr oft stark ähneln. Die Besucher des Teilemarktes sind ein Querschnitt der Gesellschaft. Alte Fans suchen Ersatzteile, junge Familien wollen seltene Autos sehen.
Das erste Auto im Leben vergisst man ebenso wenig wie die erste Frau.
Stirling Moss, britischer Automobilrennfahrer
Krueger. Was hat Sie beide denn zu Oldtimer-Fans werden lassen, welches ist Ihr Lieblings-Oldtimer?
Mandl (lacht). Herbert Kessler, mein Schwiegervater, ist ja Gründer der „Oldtimerfreunde Mühldorf“. Er hat immer gesagt, es kommt nicht auf den realen Wert eines Fahrzeugs an, sondern auf den emotionalen Wert, den ihm sein Besitzer beimisst. Gemeinsam haben wir viele Abende lang in der Garage getüftelt und geschraubt. So bin ich zum Oldtimer-Fan geworden. Anekdote am Rande: An einem bierseeligen Garagen-Abend vor 23 Jahren sprachen wir über die Zukunft des Teilemarktes. Spaßeshalber meinte er zu mir, seine Tochter bekäme ich nur, wenn ich den Teilemarkt übernehme. Gesagt – getan …
Feirer. Nachvollziehbare Technik, unmittelbares Fahrgefühl – das hat mich zum Oldtimer-Fan werden lassen. Mein Lieblings-Oldtimer: ein hochgeländegängiger Unimog.
Mühldorf a.Inn als „Autoschaustadt“
Krueger. Der hiesige Händler- und Unternehmensverbund „Mühldorf vor Ort e. V.“ hat in Kooperation mit der Kreisstadt erst Ende März 2023 eine Autoneuwagenschau mit zahlreichen begehrten Automarken und deren angesagte Neuheiten auf dem Stadtplatz durchgeführt. Mit 18 regionalen Autohäusern, 25 Marken und über 200 neuen Fahrzeugen war das Gesamtvolumen so groß wie noch nie zuvor. Was prädestiniert Mühldorf a.Inn als „Autoschaustadt“?
Mandl. Ich war selbst beim „Auto-Frühling“ in der Kreisstadt und bewundere, wie viele Autohäuser ihre Fahrzeuge zeigten. Wo hat man schon die Möglichkeit, so viele Automarken miteinander zu vergleichen! Ohne Markenbindung muss man sich bei der Vielfalt immer Zeit nehmen und ein paar Kilometer fahren, um am Ende die richtige Entscheidung zu treffen.
Feirer. Der Stadtplatz eignet sich bestens als Kulisse für Präsentationen aller Art, natürlich auch für Autos.
Es wird Wagen geben, die von keinem Tier gezogen werden
und mit unglaublicher Gewalt daher fahren.
Leonardo da Vinci, italienischer Universalgelehrte
Krueger. Die Geschichte der „Oldtimerfreunde Mühldorf“ reicht zurück bis ins Jahr 1968, als der eben schon erwähnte Herbert Kessler in der Mühldorfer Luitpoldallee einen radlosen Adler Favorit mit Vierzylindermotor entdeckte, den Pkw aus den 1930er-Jahren dann zerlegte, lackierte, verchromte, restaurierte, Räder montierte und mit dem Oldtimer an der ersten Rallye in Sindelfingen teilnahm. Was sind heute die größten Herausforderungen bei der Restaurierung historischer Fahrzeuge?
Feirer. Die größte Herausforderung bei der Restaurierung historischer Fahrzeuge ist das Finden geeigneter Ersatzteile …
Mandl. … Genau, schließlich dreht sich das Rad der Zeit immer schneller. Weitere Herausforderung: der Platzbedarf.
Bewertung historischer Fahrzeuge
Krueger. Wie geht man bei der Bewertung historischer Fahrzeuge vor und wie berät man jemanden, der sich für den Kauf eines originalen Oldtimers oder für den Erwerb von Ersatzteilen interessiert?
Mandl. Für die Bewertung historischer Fahrzeuge gibt es Gutachter, die das Fahrzeug genau in Augenschein nehmen und exakt bewerten. Sie helfen sowohl dem Verkäufer als auch dem Käufer bei der richtigen Preisfindung. Was beide dann daraus machen und ob beim vorgeschlagenen Preis eine Einigung erzielt wird, steht auf einem anderen Blatt. Ich selbst ziehe bei der Suche nach Ersatzteilen für Motorräder und Autos Fachzeitschriften heran, orientiere mich im Internet, fahre zu Teilemärkten und stöbere dort. Sollte das nicht ausreichen, gibt es immer noch vertrauenswürdige Händler.
Feirer. Kurze Antwort: Am besten einen Sachverständigen, einen Kfz-Gutachter kontaktieren.
Die Zukunft gehört dem Elektroauto.
Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, 20. September 2008
Krueger. Oldtimertreffen werden üblicherweise dominiert von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Dabei könnten dort auch alte Stromer gezeigt werden: Das erste dreirädrige Elektrofahrzeug fuhr Gustave Trouvé im Jahr 1881, das erste Elektroauto mit vier Rädern der Coburger Andreas Flocken 1888. Nach einem Jahrhundert ölgetriebener Dominanz soll dieses Zeitalter der Verbrenner allerdings politisch forciert enden. ⭲ „Dieselgate“ hin, ⭲ Fahrverbote her: Studien und Umfragen zufolge hat die Elektromobilität weiterhin einen schweren Stand – auch nach der richtungsweisenden Entscheidung des EU-Parlaments vom 14. Februar, wonach ab 2035 keine Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen. Wie sieht die Zukunft der Oldtimer-Szene aus?
Feirer. Die Krux ist der Kraftstoff: Hier bleibt abzuwarten, ob sich synthetische Kraftstoffe für Oldtimer eignen.
Mandl. Oldtimer wird es immer geben. Vielleicht nicht mehr mit Verbrennungsmotor oder weniger stark. Ein heute gekauftes Elektroauto muss aber erst einmal 30 Jahre durchhalten, ehe es ein Oldtimer ist. Ob das gelingt, muss die Zukunft zeigen.
Krueger. Herr Feirer, Herr Mandl, danke für das Gespräch. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Inn-Salzach blick, 14. Jg., Nr. 15/2023, Samstag, 15. April 2023, S. 6, Kollektiv „Teilemarkt und Oldtimertreffen“ (Kurzfassung) [145/3/2/1].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Dienstag, 11. April 2023; ⭱ E-Paper Inn-Salzach blick, Samstag, 15. April 2023. Stand: Neujahr, 1. Januar 2024.
Publikationsverzeichnis: ⭲ Index 2023.