Migration
„Wir schaffen das!“ – „Schaffen wir das?“
München — 318.000 Flüchtlinge sind laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in den letzten acht Wochen nach Bayern gekommen. Angesichts der anhaltend hohen Zuwanderung will die Bundesregierung die Grenzkontrollen zunächst um zwei Wochen bis zum 13. November verlängern. Sofern sich die Lage bis dahin nicht signifikant ändere, würden die Kontrollen anschließend für weitere drei Monate fortgeführt, so Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Unterdessen verstärkt Justizminister Winfried Bausback (CSU) Bayerns Justizbehörden personell.
Wegweiser
Irreguläre Migration
Der unverminderte Andrang von Migranten wird immer mehr zur Belastung für Ordnungskräfte, ehrenamtliche Helfer, Verwaltung, Justiz und Politik. Die Notquartiere sind längst überfüllt. Allein in der Dreiländerhalle in Passau befinden sich rund 1.700 Zuwanderer, in den Paul-Hallen in Passau und in der Niederbayernhalle in Ruhstorf je 1.000, in der Notaufnahmestelle in Freilassing im Berchtesgadener Land 1.200. Dabei warten jeden Tag aufs Neue mehrere Tausend Einwanderer – vornehmlich aus Afghanistan, Syrien und dem Irak – an der deutsch-österreichischen Grenze auf Einlass nach Deutschland. Tausende weitere Flüchtlinge sind unterdessen auf der Balkan-Route unterwegs nach Mitteleuropa.
Justiz wird personell verstärkt
Staatsanwaltschaften und Gerichte sind inzwischen mit den vielen Verfahren überlastet. Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback konstatiert bei seinem Besuch im besonders betroffenen Landgerichtsbezirk Traunstein, dass die Justiz stark beansprucht werde durch die gestiegene Schleuserkriminalität und wegen der rasanten Zunahme der Betreuungsverfahren für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, unter denen viele traumatisiert seien und psychologische Hilfe benötigten. Zudem verursache das Übersetzen „in nicht alltägliche afrikanische Sprachen“ sowie die „Mobilitätssituation von Zeugen in und um Flüchtlingsunterkünften“ erheblichen Aufwand.
„Damit der Rechtsstaat weiter funktioniert“, betont Bausback, bekommt die Justiz in Bayern nun ⭲ mehr Personal: 50 Richter und Staatsanwälte, 25 Rechtspfleger, 135 Geschäftsstellenkräfte sowie Hilfen im Vollzugsdienst sollen überwiegend an den von der Flüchtlingskrise besonders betroffenen Gerichten und Anklagebehörden an der bayerisch-österreichischen Grenze eingesetzt werden. Vorschläge, den illegalen Grenzübertritt zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen, disqualifiziert der Justizminister als „rechtspolitische Geisterfahrt“. Zur Begrenzung der Flüchtlingsströme brauche es die Rechtsverfolgung. Ziel sei es, zu einer „vernünftigen und regulierten Einreise“ zurück zu kommen. Diese Auffassung unterstreicht der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Giese: „Wer illegal einreist und sich illegal aufhält, macht sich strafbar – dabei muss es bleiben.“ Giese zeigt sich besorgt, dass die Bundespolizei die Flüchtlinge nur teilweise registrieren könnte.
Zur ganzen Wahrheit gehört, dass seit 2015
rund eine Million Zuwanderer neu in Hartz IV gefallen sind.
Wolfgang Steiger (CDU), Generalsekretär Wirtschaftsrat der CDU e. V., 2. Januar 2019 (dpa/1D3B0E5)
Laut Landrat Siegfried Walch leben im Landkreis Traunstein aktuell 1.412 Asylbewerber, bis Jahresende seien es 3.000. „Diese Zahl ist nicht zu bewältigen, wer etwas anderes behauptet, ist verantwortungslos“, sagt Walch. Deshalb fordert er eine ⭲ Kontingentierung sowie „den konsequenten Vollzug der Abschiebung“, weil die Unterkünfte „akut“ benötigt würden. Landtagsabgeordneter Klaus Steiner (CSU) warnt überdies, die Sicherheit sei „am Kippen“: „Wir schaffen es nicht mehr, wenn wir die Zuwanderung nicht regulieren.“ Steiner betont: „Wir sind am Anschlag.“
Arbeitsmarktintegration der Zuwanderer
Vorstellungen von Arbeitgebern, durch die aktuelle Zuwanderung den Fachkräftemangel beheben zu können, erteilen Steiner und Walch eine Absage: „Das ist völlig daneben“, äußert Walch. Mit Blick auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung könnten nur knapp zehn Prozent der anerkannten Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter sofort eine Arbeit in Deutschland aufnehmen. Der Anteil steige erst nach vier Jahren auf annähernd 50 Prozent. Nach 14 Jahren sind demnach drei Viertel der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt integriert. „Wir sind schon sehr weit weg von den benötigten Fachkräften“, resümiert Walch und Steiner ergänzt, das Asylrecht sei kein Instrument der Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Daher sei manche Arbeitgeberäußerung „völlig abwegig“: „Wir haben eine unkontrollierte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme.“ Dies sei „Fakt“.
Die CSU lädt im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Tacheles“ am Samstag, 31. Oktober, um 16 Uhr zur Diskussion unter dem Motto „‚Wir schaffen das!’ – Schaffen wir das?“ in das Hotel Zur Post Altötting ein. Der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Martin Neumeyer, spricht über „Vorurteile oder Wahrheit – Wie viel Integration können wir uns leisten?“. Anschließend diskutieren Neumeyer und der CSU-Landtagsabgeordnete Dr. Martin Huber mit dem Publikum über Asyl und Integration in den Landkreisen Altötting und Mühldorf a.Inn. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 28. Jg., Nr. 44/2015, Samstag, 31. Oktober 2015, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“; Inn-Salzach blick, 8. Jg., Nr. 44/2015, Samstag, 31. Oktober 2015, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“ [155/3/1/6; vier Fotos].
Online: ⤉ blick-punkt.com, Donnerstag, 29. Oktober 2015; E-Paper Rosenheimer blick, E-Paper Inntaler blick, E-Paper Mangfalltaler blick, E-Paper Wasserburger blick, E-Paper Inn-Salzach blick, Samstag, 31. Oktober 2015. Stand: Neujahr, 1. Januar 2024.