Infomärkte zum Brenner-Nordzulauf gut besucht
Ludwig: „Informationsbedarf sehr groß“
Rosenheim — „Wir konnten Unsicherheiten und Ängste abbauen“, resümiert DB-Projektleiter Torsten Gruber: Rund 4000 Bürger haben seit Anfang Juli an den 16 „Infomärkten“ der Deutschen Bahn (DB) und der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) zur reduzierten Auswahl an Grobtrassen für den Brenner-Nordzulauf teilgenommen. In ausgewählten Gemeinden des Projektraumes vom südlichen Inntal bis zum nördlichen Rosenheim veranschaulichten Bahnmitarbeiter und Projektplaner in vierstündigen Abendveranstaltungen den Stand des Projektes: Mittels Schautafeln und interaktiven Monitoren wurden die fünf Einzelvarianten detailliert erläutert und kritische Fragen zum Güterverkehr, Lärmschutz, Trassenverlauf und „Konzept der gestuften Realisierung“ beantwortet. Auf zirka 900 Feedback-Karten notierten die Teilnehmer ihre Kritik, Wünsche, Ideen oder weitergehenden Fragen. Sie werden nun ausgewertet und dokumentiert. In den nächsten 18 Monaten will die Bahn aus der Grobtrassenplanung in die Detailplanung übergehen. Die Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordnete und verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Daniela Ludwig warnt allerdings vor „übereilten Beschlüssen“ zugunsten einer bestimmten Neubautrasse und fordert eine „weitreichende Untertunnelung“ der Gemeinden nördlich der kreisfreien Stadt.
Wegweiser
Hoher Informationsbedarf
Der Informationsbedarf über den Brenner-Nordzulauf ist sehr groß und bestätigt die Wichtigkeit der „Infomärkte“, konstatiert Torsten Gruber. Rund 24.000 Mal seien die Karten der fünf Grobtrassen seit dem 1. Juli von der Website www.brennernordzulauf.eu heruntergeladen worden, insgesamt 2700 Mal das Geoinformationssystem WebGIS zu den paarweisen Vergleichen der Einzelvarianten angesteuert worden. Die Besucherzahl reichte von rund 150 Teilnehmern in Riedering über etwa 230 Interessierte in Rosenheim Stadt bis hin zu zirka 360 Teilnehmern in Kolbermoor. Auf den „Infomärkten“ seien auffällig viele Fragen zu lokalen Aspekten der Grobtrassenplanung gestellt worden. Das Feedback zum Angebot sei dem DB-Projektleiter zufolge „ganz unterschiedlich“ gewesen, reiche von der Ablehnung des Projektes über konstruktive Rückmeldungen bis hin zur Zustimmung für die Veranstaltungen. Während in den Gemeinden des Inntals die Verknüpfungsstellen im Fokus standen, nahm Gruber die Stimmung in den westlich von Rosenheim gelegenen Gemeinden als neutral bis positiv wahr, in den östlich von Rosenheim befindlichen Gemeinden vernahm er allerdings Skepsis gegenüber dem Projekt.
Anders als im Sommer 2018 sei heuer weniger über die Hintergründe und den Bedarf der Neubautrasse diskutiert worden. Aus Sicht der Bahnen rechneten viele Teilnehmer damit, dass die neue Strecke gebaut werde, nachdem ⭲ Bundes- und Landespolitiker am 1. Juli in Rosenheim die Notwendigkeit des Projekts betont hatten. Die „Infomärkte“ seien zudem von den kritischen Bürgerinitiativen „begleitet“ worden, die ebenfalls über ihre Sicht informiert hätten – ein „sehr gutes Miteinander“, meint Gruber. Überrascht zeigt sich der Projektleiter wiederum, „dass über den dreifachen Nutzen der Neubaustrecke so wenig bekannt ist“. Daher würden in den kommenden Monaten die Verdopplung der Nahverkehrszüge südlich von Rosenheim, die Fahrzeitgewinne im Fernverkehr nach Italien und die Verkehrsverlagerung im Güterverkehr „noch intensiver“ dargestellt. Dies werde bereits im Herbst beim 17. „Infomarkt“ in Neubeuern erfolgen.
„Gestufte Realisierung“
Im Herbst will die DB die Raumordnung für die Grobtrassen beantragen, ein Verfahren, das mehrere Monate dauere. Dabei wird behördlich geprüft, ob die fünf Grobtrassen auch den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung entsprechen. In den kommenden 18 Monaten will die DB aus der Grobtrassenplanung in eine detaillierte Planung übergehen. Hierbei wird konkretisiert, wo Bauwerke wie Brücken entstehen können oder weitere Tunnel nötig sind. Diese Planungsfortschritte sollen in den Gemeindeforen vorgestellt und visualisiert werden. „Schritt für Schritt können wir auf diese Weise mehr und mehr Unsicherheiten beseitigen und mit konkreten Fakten Klarheit schaffen“, meint Gruber. Parallel dazu werde die DB mit den Planungen zur Ertüchtigung und Digitalisierung der Bestandsstrecke beginnen. Hier soll bis 2027 ein europaweit einheitliches Signalsystem die Kapazitäten erhöhen und die Zeit überbrücken, bis der Brennerbasistunnel (BBT) „seine volle Wirkung entfaltet“. DB und ÖBB folgen dabei ihrem Konzept der „gestuften Realisierung“, das bis 2032 die „Realisierung des Planungsraums Schaftenau/Knoten Radfeld“ und bis 2038/2040 die Ausbau- und Neubaustrecke München bis zur deutsch-österreichischen Grenze vorsieht.
Demgegenüber warnt Daniela Ludwig vor „übereilten Beschlüssen“. Für die Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordnete zeigten die „Infomärkte“ eher, „dass es in der Bevölkerung noch gravierende Sorgen und Bedenken gibt“. Diese müssten ernst genommen werden. „Das Streben nach der besten Lösung geht hier vor Schnelligkeit!“ Akzeptabel seien nur Trassenvorschläge, die eine weitreichende Untertunnelung oder Einhausung der Strecke ermöglichen. „Nur sie können weiter verfolgt werden. Daran wird in den Dialogforen jetzt zu arbeiten sein. Alles andere akzeptiere ich nicht.“
Tunnel im Norden – ETCS – Ausgleichsmaßnahmen
Für den Abschnitt nördlich von Rosenheim fordert Ludwig ein komplett neu überarbeitetes Konzept. „Hier verläuft keine der fünf Grobtrassen mehr im Tunnel. Diese Planung lehne ich ab. Hier muss eine neue Planung auf den Tisch, insbesondere auch, was die Lage einer möglichen Verknüpfungsstelle angeht.“
Aufgrund des langen Planungsvorlaufs sei eine zügige Ertüchtigung der Bestandsstrecke unerlässlich, so Ludwig weiter. „Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat bei seinem Besuch in Rosenheim diese Ertüchtigung mit noch mehr Lärmschutz und einer Ausrüstung mit ETCS zugesagt. Das ist mit hoher Geschwindigkeit voranzutreiben. Mit der Deutschen Bahn ist das vereinbart, sie trägt das auch mit. Eine reine Konzentration der Planungen auf den Neubau war für mich nie akzeptabel, deshalb begrüße ich das sehr. Die Finanzierung ist ebenfalls gesichert.“ Bei einem möglichen Neubau einer Trasse seien Ausgleichsmaßnahmen finanziell zu regeln, fordert Ludwig: „Sollte das nicht in ganzem Umfang möglich sein, müssen notwendige Ausgleichsflächen weit außerhalb des Raumes Rosenheim ausgewiesen werden. Unsere Region erträgt keine weiteren Auflagen.“ ‡