Fußballspiel endet mit Freiheitsstrafe
Richter Loeber: „Anschlag auf Sportbetrieb“
Rosenheim — Ein Jahr und zwei Monate Haft plus 15.000 Euro Schmerzensgeld: Das Amtsgericht Rosenheim hat am Mittwoch einen 37-jährigen Hilfsarbeiter wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Ein zweiter Angeklagter wurde freigesprochen. Bereits am Dienstag hatte ein dritter Angeschuldigter wegen schwerer Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung erhalten, muss 2.500 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Die Urteile ziehen einen Schlussstrich unter ein anderthalb Jahre dauerndes Verfahren. Auslöser waren Ausschreitungen bei einem Fußballspiel der A-Klasse. Zum Hergang befragte Richter Heinrich Loeber über zwei Dutzend Zeugen. Die meisten konnten sich jedoch nicht mehr erinnern, was am 3. Oktober 2012 nach Abpfiff des Fußballspiels zwischen dem FC Iliria und dem ⭱ ESV Rosenheim geschehen war. Zweifellos endete aber das Amateurspiel auf dem Sportplatz Innflutmulde im Tumult. Schiedsrichter K. und ESV-Trainer S. wurden dabei geschlagen und getreten.
S. musste wegen Prellungen der Rippen und Leber ärztlich behandelt werden. Heute indes spüre er die Verletzungen nicht mehr. K. hingegen erlitt einen Kieferbruch, sein linkes Trommelfell wurde zerrissen, das linke Auge geprellt. Zweimal wurde er in der Folge arbeitsunfähig geschrieben, klagt noch immer über Schwindelgefühle, leidet unter psychischen Beeinträchtigungen und einer psychogenen Sehstörung: „Mir geht es sehr, sehr schlecht“, schilderte K. im Gerichtssaal mit gesenktem Haupt seine Verfassung.
„Das war keine typische Kneipenschlägerei“, betonte denn auch Staatsanwältin Juliane Grotz. Die Emotionen hatten sich während des Fußballspiels aufgeschaukelt. In der ersten Halbzeit führte Favorit ESV Rosenheim erwartungsgemäß mit 1:0. Im Verlauf der zweiten Halbzeit schaffte der FC Iliria jedoch den Anschluss und lag am Ende der regulären Spielzeit mit 1:2 in Führung. Die Mannschaft hatte aber auch zwei Platzverweise kassiert. In der vier Minuten dauernden Nachspielzeit ließ Schiedsrichter K. den ESV nach Foul noch einen Freistoß ausführen. Der brachte dem ESV den Ausgleich zum 2:2-Endstand und erhitzte einige Gemüter.
Direkt nach Abpfiff bildete sich auf dem Spielfeld um den Schiedsrichter eine Menschentraube aus Spielern und Zuschauern. Der vom Platz gestellte Angeklagte M. soll auf den Schiedsrichter zugestürmt sein und diesen mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. S. eilte K. zur Hilfe, erhielt jedoch von einem weiteren Spieler des FC, dem angeklagten B., einen Tritt in den Bauch mit dem Fußballschuh.
B. und M. sind vom Bayerischen Fußballverband gesperrt worden. In der Verhandlung zeigte sich B. geständig. Er hatte S. bereits um Entschuldigung gebeten, mit ihm einen Vergleich vereinbart. Der angeklagte M., verheirateter Vater von zwei Kindern, erklärte, das Geschehene täte ihm leid. Zugleich bestand M. darauf, Schiedsrichter K. nicht geschlagen zu haben: „Ich habe ihn angeschubst und sonst nichts.“ Demgegenüber legte Richter Loeber in seiner Urteilsbegründung dar, Zeugenaussagen ließen „keinen Zweifel“, dass M. „nicht nur geschubst, sondern zwei Faustschläge versetzt hat“. Die Folgen seien schwerwiegend, eine Geldstrafe allein nicht ausreichend. Mit Blick auf das besondere Fairness-Gebot im Fußball seien die Ausschreitungen sogar ein „Anschlag auf den Sportbetrieb“. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 27. Jg., Nr. 15/2014, Samstag, 12. April 2014, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“ [105/3/1/3; ein Foto].
Online: ⤉ blick-punkt.com, Samstag, 12. April 2014; ⤉ E-Paper Rosenheimer blick, ⤉ E-Paper Inntaler blick, ⤉ E-Paper Mangfalltaler blick, ⤉ E-Paper Wasserburger blick, Samstag, 12. April 2014. Stand: Neujahr, 1. Januar 2025. ⭱ m-publishing.com, Samstag, 12. April 2014. Stand: Neujahr, 1. Januar 2025.