Notbehelf Luitpoldhalle endet
Asylbewerber erhalten dezentrale Unterkünfte
Rosenheim — Die beiden fünf- und sechs Jahre alten Kinder von Zahra N. aus Syrien sehen die Luitpoldhalle schon als ihr neues Zuhause an: Erst hier sind sie nach acht Wochen Flucht über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Ungarn und Österreich zur Ruhe gekommen. Doch die Rosenheimer Not-Erstaufnahmeeinrichtung ist nur ein Provisorium. Die Stadt strebt nach einer Unterbringung in dezentralen Unterkünften. Derweil ist die Hilfe der Bevölkerung für die Asylbewerber enorm.
Rosenheim nimmt 1,6 Prozent der in Oberbayern ankommenden Flüchtlinge auf. Das entsprechende Jahreskontingent von 263 Personen ist mit 284 Asylbewerbern aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Mali, Nigeria und dem Senegal allerdings schon überschritten. Um diesen und anderen eine Odyssee von einer Not-Erstaufnahmeeinrichtung zur nächsten zu ersparen, ist die Stadt bestrebt, die Neuankömmlinge in dezentralen Unterkünften unterzubringen. Dies gilt auch fürderhin, rechnet der Leiter der Rosenheimer Koordinierungsgruppe Asyl, Christian Meixner, doch für das kommende Jahr mit weiteren 400 Schutzsuchenden.
Meixner hofft, dass die am 14. November in der Luitpoldhalle improvisierte Not-Erstaufnahmeeinrichtung, in der aktuell noch 50 Migranten einquartiert sind, vor Weihnachten geschlossen werden kann. Damit werden zwar auch Zahra N. und ihre Kinder umziehen müssen, zugleich aber eine bessere Unterkunft erhalten.
Einsatz des Malteser Hilfsdienstes
Der Malteser Hilfsdienst, üblicherweise für den Katastrophenschutz gerüstet, ist laut Hans Kerschbaumer inzwischen erfahren in der Betreuung von Flüchtlingen und der „Ertüchtigung von Einrichtungen“. So haben die Malteser Möbel besorgt, Gegenstände des täglichen Bedarfs vorgehalten und die Verpflegung der ersten Tage geleistet, bis dies ein Cateringdienst übernahm.
Christian Schwalm, stellvertretender Pressesprecher der Stadt, würdigt zudem die Spendenbereitschaft der Rosenheimer Unternehmen, spricht von einer „logistischen Meisterleistung“ aller Beteiligten: „Unsere Lager sind gut gefüllt.“ Und Meixner lobt das herzliche Engagement der Rosenheimer: „Ohne die weitreichende Hilfe der Ehrenamtlichen hätte es nicht so gut funktioniert.“
Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden.
Dr. Angela Merkel, MdB (CDU), Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, 31. August 2015
Die „Solidarität in der Gesellschaft ist enorm“, betont Christian Hlatky von der Sozialen Stadt, die sich „teilweise vor Hilfsanfragen nicht retten kann“. Die Ehrenamtlichen helfen den Menschen „aufopferungsvoll“. Die Spenden umfaßten Kleider, Decken, Fahrräder und Computer. Das Engagement reiche von der Begleitung zu Behörden und Freizeiteinrichtungen bis hin zu Kursen in Deutsch. So habe in der Luitpoldhalle ein „Lagerkoller“ vermieden werden können.
Flüchtlinge erlernen die deutsche Sprache
Die Flüchtlinge bemühen sich Henny Stoll zufolge, schnellstmöglich die deutsche Sprache zu erlernen, um ihre grundsätzlichen Bedürfnisse artikulieren zu können. Stoll ist eine der zehn ehrenamtlichen Hauslehrer für Deutsch, zu denen auch ausgebildete Pädagogen gehören. Unterrichtsmaterial werde bereit gehalten oder von den Schulenden zusammen gestellt.
Die Asylbewerber selbst scheinen von der Hilfe ergriffen. Riad A. aus Syrien findet Rosenheim „sehr nett“, wie sein Landsmann Fadi C. übersetzt. Abdullah D. aus Syrien hat bereits Gefallen an Basketball und Eishockey gefunden und gibt sich sicher: „Meine Zukunft ist hier mit meiner Familie.“ Das sieht auch Zahra N. so, mutmaßt sie doch, in Syrien werde das Töten nicht enden. Wie Charles A. aus Nigeria sind sie entwurzelt und wollen sich in Deutschland eine neue Existenz aufbauen. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 27. Jg., Nr. 50/2014, Samstag, 13. Dezember 2014, S. 3, Kolumne „Lokales“ [121/53/1/5].
Online: ⤉ blick-punkt.com, Montag, 8. Dezember 2014; ⤉ E-Paper Rosenheimer blick, ⤉ E-Paper Inntaler blick, ⤉ E-Paper Mangfalltaler blick, ⤉ E-Paper Wasserburger blick, Samstag, 13. Dezember 2014. Stand: Neujahr, 1. Januar 2024.