Schattenseite des Mindestlohns
Entlassungen und Schließungen
Rosenheim — In Niedriglohnbranchen freuen sich viele Arbeitnehmer über kräftige Gehaltserhöhungen. Doch manche Geschäftsleute reagieren mit drastischen Maßnahmen auf den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde: verkürzte Öffnungszeiten, Entlassungen, sogar Geschäftsaufgaben gehören dazu.
„Jetzt zugreifen“, heißt es seit Montag bei der Videothekenkette „Monte Video“: DVDs und Blue-ray-Discs werden bis zum 23. März in den Filialen in Prien a.Chiemsee, Rosenheim, Kempten im Allgäu, Mering in der Region Augsburg sowie in Kevelaer und Kleve am Niederrhein veräußert. Was sich zunächst nach Wühltisch und „Geiz ist geil“ anhört, hat einen ernsten Hintergrund.
In Prien a.Chiemsee gibt es die Videothek schon seit 30 Jahren. Alle anderen hat sie überlebt, sagt Geschäftsführer Talat Aktas. Doch am 31. März ist Schluss. „Wegen des Mindestlohns.“ Schon die illegalen Downloads im Internet machen den Videotheken zu schaffen, denn sie bedeuten rund zwölf Prozent Umsatzverlust. Nun aber zwinge der Mindestlohn den Betreiber in die Knie: „Wir haben Lohnsteigerungen von 40 Prozent“, erklärt Aktas. Zum Stundenlohn von 8,50 Euro kämen jeweils noch 30 Prozent Knappschaftsgebühr hinzu und die Lohnbuchhaltung in Höhe von acht bis zwölf Euro. Das ergebe beim Betrieb einer kleinen Filiale schnell eine zusätzliche Belastung von rund 1.000 Euro im Monat. Dabei liegt die Leihgebühr für einen Film bei lediglich 1,50 Euro pro Tag. „Das ist billiger als ein Cheeseburger oder ein Kaffee“, betont Aktas.
Noch vor einem halben Jahr gehörten 16 Videotheken zur Kette. Mit Blick auf den Mindestlohn wurde bereits Ende Oktober 2014 die Filiale in Traunstein geschlossen. Sieben Mitarbeiter verloren ihren Job. Zum Jahresende schlossen dann drei Filialen in München. Damit standen weitere 18 Mitarbeiter auf der Straße. Jetzt werden nochmals zwei Filialen in Nordrhein-Westfalen und vier in Bayern geschlossen. In Südostoberbayern sind dies die Geschäfte in der Seestraße in Prien a.Chiemsee und in der ⭲ Kufsteiner Straße in Rosenheim. Ende März werden so insgesamt 36 Mitarbeiter freigesetzt sein.
Den Mindestlohn verurteilt Aktas an sich nicht. Wohl aber, alle Unternehmungen über einen Kamm zu scheren: „Das ist unüberlegt.“ Das Gesetz führe dazu, dass kleine Läden schließen müssten. „Da wird noch viel kommen“, ist der Unternehmer überzeugt. Von der Videothekenkette bleiben sechs Filialen geöffnet: vier in München und je eine in Freising und Landsberg. 30 Mitarbeiter und fünf Auszubildende bleiben damit in Lohn und Brot. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 28. Jg., Nr. 8/2015, Samstag, 21. Februar 2015, S. 6, Kolumne „Lokales“ [93/3/1/3].
Online: ⤉ blick-punkt.com, Freitag, 20. Februar 2015; ⤉ E-Paper Rosenheimer blick, ⤉ E-Paper Inntaler blick, ⤉ E-Paper Mangfalltaler blick, ⤉ E-Paper Wasserburger blick Samstag, 21. Februar 2015. Stand: Neujahr, 1. Januar 2024.