Diskussion über ein Digitalministerium
Krueger: „Benötigt wird Courage“
Berlin — Bitkom-Präsident Achim Berg hat sich gegenüber der „Rheinischen Post“ zu den Sondierungsgesprächen der Jamaika-Parteien geäußert und die Sorge formuliert, die Unterhändler könnten „vor lauter Klein-Klein die wesentlichen Fragen aus dem Blick verlieren“.
Achim Berg warnt vor einem dramatischen Rückgang bisheriger Berufe durch Automatisierung und Digitalisierung: „Ich gehe davon aus, dass etwa die Hälfte aller Aufgaben in den nächsten 20 Jahren von Maschinen oder Computern erledigt werden können.“ Da die Digitalisierung nicht nur Gewinner habe, plädiert Berg für ein BGE: „Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen könnte man vielleicht diejenigen auffangen, die mit der Digitalisierung nicht zurechtkommen. Man sollte es testen.“ Berg bringt sich zudem in die Debatte um ein Digitalministerium ein, hält den Vorschlag eines Kanzleramtsministers für Digitales für „deutlich charmanter“. 1
Hierzu erklärt Dr. Olaf Konstantin Krueger, Themenbeauftragter für Medienpolitik des Landesverbandes Bayern der Piratenpartei Deutschland:
„Gedankengang und Schlussfolgerung des Bitkom-Präsidenten Achim Berg zu den Folgen der digitalen Transformation erinnern mich sowohl an die seit Jahren bei den PIRATEN geführten Diskussionen zu den sozialen Konsequenzen der Digitalisierung als auch an die daraus folgenden, im Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland und im Wahlprogramm der PIRATEN für die Bundestagswahl 2017 fixierten politischen Forderungen: Ausgehend von den tiefgreifenden Veränderungen, die die Digitalisierungswelle zeitigt, setzen sich die PIRATEN nachdrücklich für einen sozialstaatlichen Paradigmenwechsel und die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein, formulieren obendrein Wege zu dessen Umsetzung. 2 Die PIRATEN scheinen hier also richtig gewirkt zu haben.
Bezweifelt werden darf hingegen Bergs These, dass ein Digitalministerium zwangsläufig ‚extrem aufgebläht’ sein muss und andere Ressorts ‚entkernte’. Die digitale Transformation ist zwar hoch komplex und dynamisch. Dass aber ein Kanzleramtsminister für Digitales diese teils schubweise verlaufende Transformation für die Bundesrepublik Deutschland ganzheitlich zu fassen, Inselkompetenzen effektiv zu vernetzen und Aufgaben hinreichend zu strukturieren vermag, muss infrage gestellt werden. Der von der Union präferierte Dreiklang eines Staatsministers im Bundeskanzleramt, eines Kabinettsausschusses Digitalpolitik und eines nationalen Digitalrates scheint zunächst den Herausforderungen eher gerecht zu werden. Sobald jedoch die dispersen Aktivitäten vernetzt und in Einklang gebracht werden müssen, könnte sich auch dieses Konstrukt im Politikbetrieb als zu fragil erweisen gegenüber einer zielgerichteten Kompetenzbündelung unter einem Dach, das die Prioritäten richtig setzt: Ein in Abteilungen und Geschäftsbereiche gegliedertes Ministerium dürfte klar definierten Aufgaben eher konzentriert und transparent gerecht werden – eine von der Allgemeinheit mitgetragene und durch gestaltende Regierungspolitik umzusetzende Vision vorausgesetzt.
An dieser Stelle kann ein Blick auf ⭲ Genese und Gründung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit infolge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 hilfreich sein. Dass bei Gründung eines Digitalministeriums andere Ressorts Verantwortung abgeben müssten und dadurch an Kompetenz einbüßten, kann kein valides Kriterium sein, wenn es um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und den Wirtschaftsstandort geht. Kurzum: Benötigt wird Courage. Denn eine weitere Legislaturperiode mit Hilfskonstruktionen zu vergeuden, das wäre angesichts des Modernisierungsdrucks völlig unverantwortlich.“ ‡
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