Hohe Solidarität mit Geflüchteten
Bauer: „Wir sind alle Rosenheimer“
Rosenheim — „Ja, die Integration gelingt“, betont Maria Knott-Klausner, Rosenheimer FDP-Stadträtin und Flüchtlingspatin. Sie ist eine von 270 Rosenheimern, die sich im „Patenprojekt für Flüchtlinge“ der „Bürgerstiftung Rosenheim“ engagieren. Dank der Kooperation mit der OVB-Medienhaus-Stiftung, der Sparkassenstiftung „Zukunft für die Stadt Rosenheim“ sowie der „Ursula und Walter Schatt-Stiftung“ ist zur Koordination der ehrenamtlich Engagierten eine Teilzeitstelle für fünf Jahre geschaffen worden: Seit Januar steuert Christian Hlatky von seinem neuen Büro im „Bürgerhaus Miteinander“ in der Lessingstraße die Arbeit der Flüchtlingspaten und organisiert geeignete Patenschaftskombinationen.
Die kreisfreie Stadt Rosenheim ist mit über 60.000 Einwohnern nach München und Ingolstadt die drittgrößte Stadt in Oberbayern und eines von 23 bayerischen Oberzentren. Mit Stand vom 31. Januar 2016 hat Rosenheim nach dem „Königsteiner Verteilungsschlüssel“ 929 Asylbewerber aufzunehmen. Bislang sind 386 dezentral in 53 Unterkünften untergebracht. Das Kontingent ist noch nicht erfüllt, da Rosenheim zeitweise und kurzfristig bis zu 3.700 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge beherbergte. Inzwischen kommen pro Woche 13 Asylbewerber, die voraussichtlich so lange bleiben, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Rund 40 Prozent werden nach Expertenmeinung anerkannt.
„In Rosenheim sind wir gut aufgestellt“, bewertet Stadträtin Maria Knott-Klausner die Betreuungssituation und Integrationsarbeit: „So viele Ehrenamtliche hat es noch nie gegeben.“ Damit deren Hilfe effizient sei, müsse sie koordiniert und der Helferkreis vernetzt werden, verdeutlicht Flüchtlingspate Ludger Reffgen. Mit seiner Website www.handinhand-rosenheim.de hat Reffgen eine private Plattform geschaffen, welche die Hilfsbereitschaft im Raum Rosenheim bündeln soll. Ohne gewerbliches Interesse sollen Behörden, Institutionen, Organisationen, Unternehmen, Vereine und Bürger die Geflüchteten unbürokratisch und punktgenau unterstützen können. Über Einzelinitiativen hinaus hat sich in Rosenheim mittlerweile ein Stiftungsnetzwerk für die Integrationsarbeit etabliert.
„Bürgerstiftung Rosenheim“
Die 2012 gegründete „Bürgerstiftung Rosenheim“ fördert unter dem Motto „Gemeinsam Chancen schaffen“ gemeinnützige regionale Projekte aus den Bereichen Jugend- und Altenhilfe, Kunst und Kultur, Bildung und Erziehung, Sport, Umwelt- und Denkmalschutz sowie Völkerverständigung. Laut ihrem Vorsitzenden Dr. Helmut Klarner setzt sich die Bürgerstiftung für ein „gedeihliches Zusammenleben“ in Rosenheim ein, weshalb das „Patenprojekt für Flüchtlinge“ zu den bestehenden Projekten der mittlerweile 75 Stifter passe. Verleger Oliver Döser von der OVB-Medienhaus-Stiftung und Geschäftsführer des Medienunternehmens OVB-Heimatzeitungen resümiert als Flüchtlingspate die Aufgabe des Projektes: „Integration zu leben“, den Neuzugewanderten „unsere Werte näher zu bringen“, aber auch „zu versuchen, uns in deren Werte, in deren Gesellschaft, in deren Vorstellungen hineinzudenken“.
Wir sollten uns klar machen, wie schwer es ist, im Einzelfall abzuschieben.
Deswegen sollten wir auch nicht allzu stark die Hoffnung schüren,
dass wir die Großzahl dieser Menschen zurückführen können.
Eher sollten wir alle Kraft dafür aufbringen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Dr. Wolfgang Schäuble, MdB (CDU), Bundestagspräsident, 23. September 2018 (dpa/1D21A2E)
Für Martin Schwegler von der Sparkassenstiftung „Zukunft für die Stadt Rosenheim“ können mit dem Patenprojekt „Skaleneffekte gehoben werden, die sonst verloren gehen“. Dabei verweist das Geschäftsführende Vorstandsmitglied der Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling auf eine Expertise der Robert Bosch Stiftung. Sie beleuchtet das zivilgesellschaftliche Engagement bei der Aufnahme von Flüchtlingen und hebt neben Leipzig gerade Rosenheim heraus. Danach gibt es in der Stadt „eine hohe Solidarität mit den Flüchtlingen, nicht nur von den Personen, die sich als Paten engagieren, sondern auch von Bürgern, die auf andere Weise, beispielsweise durch Sachspenden, helfen wollen“. Diese Bewertung fußt laut Schwegler auf jahrelanger Vorarbeit, einer „breiten, auch von der Politik getragenen Willkommenskultur“, die in die Bekundung von Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer, der ersten Vorsitzenden der Sparkassenstiftung, münde: „Wir sind alle Rosenheimer“.
„Multiplikatoren“
Für Interessenten an einer Patenschaft ist Projektkoordinator Christian Hlatky unter Rufnummer 01 76/22 89 37 99 der erste Ansprechpartner. „Ich verkupple Menschen“, veranschaulicht er augenzwinkernd seine Aufgabe, und das Telefon stehe nicht still. Er lerne sowohl die Paten als auch die Flüchtlinge kennen und prüfe die Patenschaftskombinationen. Die Begleitung erfolge dann „ganz individuell“. Nicht jeder Flüchtling eigne sich von Anfang an für das Projekt, einige sprächen bestenfalls Englisch. „Doch mit Händen, Füßen und Google-Translator funktioniert alles.“ Die Flüchtlingspaten hülfen bei Alltäglichkeiten genauso wie bei besonderen Herausforderungen, wozu auch das Verfassen von Empfehlungsschreiben gehören mag. Da der Kontakt über die Asylzeit hinaus reichen könnte, seien die Flüchtlingspaten „Multiplikatoren, dass das Zusammenleben gelingen kann“.
„Wohnungen fehlen“
Hlatky sieht wie Schwegler in der Flüchtlingskrise „eines der größten Konjunkturprogramme der letzten Jahre“. Doch völlig sorgenfrei ist Hlatky nicht: „Der Wohnungsmangel ist akut und in einem Jahr brennt’s ganz gewaltig“, warnt er. Auch Flüchtlingspate Reffgen mahnt, die Menschen kämen aus unterschiedlichen Motiven, doch „nicht, um unser demographisches Problem zu lösen“. Flüchtlingspatin Knott-Klausner weiss zudem, die Stadt habe nur begrenzt Grundstücke für Sozialwohnungen. Doch Hlatky ist überzeugt: „Wenn wir es schaffen, die Leute zu integrieren, haben wir die wenigsten Probleme.“ So richtet der Stadtrat eine „Kommunale Koordinierungsstelle der Bildungsangebote für Neuzugewanderte“ ein, die das „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)“ finanziert, um Kurse zu arangieren. In zwei bis drei Monaten, so Knott-Klausner, sei die Stelle in Rosenheim besetzt. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 29. Jg., Nr. 11/2016, Samstag, 19. März 2016, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“ [195/3/–/10; ein Foto].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mittwoch, 16. März 2016; ⭱ E-Paper Rosenheimer blick, ⭱ E-Paper Inntaler blick, ⭱ E-Paper Mangfalltaler blick, ⭱ E-Paper Wasserburger blick, Samstag, 19. März 2016. Stand: Neujahr, 1. Januar 2024.