Silvesterfeuerwerk in der Kritik
Schwaller: „Lieber Sektkorken knallen lassen“
Rosenheim / Wasserburg a.Inn / Mühldorf a.Inn — Keine Silvesterknaller, keine Feuerwerksraketen zur Begrüßung des Neuen Jahres: Das Silvesterfeuerwerk soll der Vergangenheit angehören – Mensch, Tier und Umwelt zuliebe. Vorbild in Oberbayern: die Millionenmetropole München. Dort ist dieses Jahr erstmals das Mitführen, Abbrennen oder Abschießen „pyrotechnischer Gegenstände mit ausschließlicher Knallwirkung“ in Teilen der Altstadt untersagt – ein „Böllerverbot“, das an Silvester und Neujahr in der gesamten Wasserburger Altstadt schon seit 2010 gilt. Doch in den südostoberbayerischen Städten und Märkten ist das Silvesterfeuerwerk im Rahmen des Sprengstoffgesetzes weiterhin fast überall erlaubt, wird nur teilweise eingeschränkt oder infrage gestellt. So hat der Markt Neubeuern 2018 ein Verbot angeordnet, die kreisfreie Stadt Rosenheim heuer das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in bestimmten Innenstadtbereichen verboten, die Kreisstadt Mühldorf a.Inn ein Feuerwerksverbot kommendes Jahr auf der Agenda und Bad Aibling einen Appell lanciert, lieber Sektkorken statt Böller knallen zu lassen.
Wegweiser
Feinstaub – Schwermetall – Tierwohl
Eine Silvester- und Neujahrsfeier ohne Feuerwerk? Traditionell undenkbar. In Europa dienen Feuerwerke seit der frühen Neuzeit der höfischen Repräsentanz und werden heutzutage insbesondere in Nordamerika, Europa und Australien zu Neujahr abgebrannt. Sydney ist weltweit jene Millionenmetropole, die das Neue Jahr als erste begrüßt, weshalb deren spektakuläres Feuerwerk an der Sydney Harbour Bridge rund um den Globus besonders aufmerksam begleitet wird.
Allerdings belasten die durch pyrotechnische Artikel freigesetzten Feinstaubmengen und Schwermetalle auch die Umwelt, verschrecken Haus- und Wildtiere. Nach Angabe des Umweltbundesamtes ist die Feinstaub-Konzentration an Neujahr „vielerorts so hoch wie sonst im ganzen Jahr nicht“. Bei den Silvesterfeuerwerken würden bundesweit rund 4.500 Tonnen Feinstaub freigesetzt, was etwa 15,5 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Menge entspreche.
Laut der Tierschutzorganisation TASSO e. V., die Europas größtes kostenloses Haustierregister betreibt, entlaufen bundesweit rund um den Jahreswechsel viermal so viele Haustiere wie sonst: So wurden am letzten Tag des Jahres 2018 und am ersten Tag in 2019 allein laut TASSO-Statistik mehr als 630 Tiere vermisst. Auffällig hier die Zahl der entlaufenen Hunde: Statt durchschnittlich 100 von ihren Familien getrennte Hunde registrierte TASSO an den letzten beiden Tagen des Jahreswechsels insgesamt 416. Und dem „Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V. (LBV)“ zufolge verstört das Silvesterfeuerwerk Vögel und Wildtiere im Winterschlaf. „Viele Vögel werden von lautem Feuerwerk aufgeschreckt, geraten in Stress und brauchen anschließend lange, bis sie wieder zur Ruhe kommen. Die nächtliche Flucht kostet sie dabei wertvolle Energie, die sie gerade in langen, kalten Winternächten zum Überleben brauchen“, erläutert Biologin Annika Lange.
„Feuerwerksartikel“ oder „Feuerwerkskörper“, in der Fachsprache als pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 mit ausschließlicher Knallwirkung bezeichnet, dürfen an Verbraucher nur an drei Tagen im Jahr verkauft werden, und zwar heuer am Samstag, 28. Dezember, am Montag, 30. Dezember, und am Dienstag, 31. Dezember. Diese Feuerwerkskörper – etwa Raketen, Sonnenräder und Römische Lichter – dürfen Privatleute nur in der Zeit vom 31. Dezember, 00.00 Uhr, bis 1. Januar, 24.00 Uhr, abfeuern. Die genauen Zeiten können zwischen den Kommunen leicht abweichen. Im restlichen Jahr ist das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände ausgewiesenen Fachleuten vorbehalten. Komplett verboten ist nach der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) allerdings das Abbrennen von Feuerwerk in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie bei besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen, beispielsweise Altstadtgebieten mit wertvollem Fachwerkbestand und Bebauungen mit Reetdächern.
Sicherer Umgang mit dem Feuerwerk
Feuer und Explosionen sind gefährlich: Per Gesetz dürfen Feuerwerkskörper der Kategorie F2 nur an Personen ab 18 Jahren verkauft, von diesen gelagert und entzündet werden. Daumenregel: Silvesterfeuerwerk sollte unbedingt in offiziellen deutschen Verkaufsstellen gekauft werden. Wer Feuerwerk abbrennt, sollte tunlichst mit klarem Kopf zu Werke schreiten. Auf keinen Fall darf es in geschlossenen Räumen abgebrannt werden, die Flugbahn der Geschosse muss frei sein. Raketen und Böller sind nur auf ebenen und freien Flächen zu verwenden. Bei optischen Mängeln dürfen Feuerwerkskörper nicht abgefeuert werden. An Holzstäben befestigte Raketen sollten beispielsweise in leere Weinflaschen gesteckt werden, welche ihrerseits in einer beschwerten Flaschenkiste gut und sicher stehen. Zuschauer müssen sich grundsätzlich in sicherem Abstand zum Feuerwerk aufhalten. Scheinbare Blindgänger dürfen nicht erneut angezündet werden. Bei Unfällen ist sofort die Rettungsleitstelle unter der Nummer 112 anzurufen.
Bei Schäden gilt in Deutschland das Verursacherprinzip. Werden Gegenstände im Haus oder auf dem Balkon beschädigt, springt für gewöhnlich die Hausratversicherung ein. Nimmt das Haus Schaden und der Verursacher ist nicht zu ermitteln, greift die Wohngebäudeversicherung des Hauseigentümers. Gleiches gilt für einen zerstörten Briefkasten, der fest an der Hauswand befestigt ist. Laut „Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG)“ sind Schäden durch Vandalismus am Auto, etwa zerkratzter Lack oder eine verbeulte Haube, nur durch eine Vollkaskoversicherung abgedeckt, wobei der Versicherte gegebenenfalls mit einer Selbstbeteiligung rechnen muss. Wird ein Auto durch eine Explosion beschädigt, könnte auch eine Teilkaskoversicherung einspringen. Wer sich beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern verletzt und dauerhaft beeinträchtigt ist, kann sich der DVAG zufolge an seine private Unfallversicherung wenden. Sie schütze auch langfristig bei Invalidität. Verursacht ein Feuerwerkskörper beispielsweise Verletzungen bei Zuschauern oder versengt deren Kleidung, stehen diesen finanzielle Wiedergutmachung und eventuell die Bezahlung auch längerfristiger ärztlicher Behandlungen zu, erklärt die Württembergische Versicherung AG. Wer den verursachenden Feuerwerkskörper geworfen oder gezündet hat, haftet dafür mit seinem persönlichen Vermögen, es sei denn, er hat eine Privat-Haftpflichtversicherung.
Kein generelles Böllerverbot
Die Entscheidung, ob Feuerwerke zugelassen oder verboten sind, trifft jede Kommune eigenständig. Eine Meldepflicht gegenüber dem Landratsamt besteht nicht. Mögliche Rechtsgrundlage für ein „Böllerverbot“ ist § 24 Abs. 2 Ziffer 1 der 1. SprengV: Danach kann eine allgemeine Anordnung getroffen werden für ein Verbot von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 (klassisches Silvesterfeuerwerk) in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandempfindlich sind. Oder aber es kann ein Verbot von pyrotechnischen Gegenständen der Kategorie F2 mit ausschließlicher Knallwirkung (Silvesterböller) in bestimmten dicht besiedelten Ortsteilen erlassen werden. Im Ergebnis verfahren die südostoberbayerischen Städte und Märkte unterschiedlich.
Rundweg verboten ist das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände der Kategorie F2 an Silvester und Neujahr in der Stadt Wasserburg a.Inn (Landkreis Rosenheim): Das Verbot gilt seit 2010 für die gesamte Altstadt innerhalb der Innschleife einschließlich der Innbrücke. Auch der Markt Neubeuern (Lkr. Rosenheim) hat 2018 eine allgemeine Anordnung erlassen, wonach wegen Brandgefahr das Abbrennen von Feuerwerkskörpern im Bereich des Marktplatzes, der Schule Schloss Neubeuern, in den Ortskernen von Altenbeuern und Altenmarkt sowie im Bereich von landwirtschaftlichen Anwesen und Gewerbebetrieben jeweils am 31. Dezember und am 1. Januar jeden Jahres verboten ist.
Kein Feuerwerksverbot erlassen haben dagegen die Märkte Buchbach, Gars a.Inn, Haag i.OB und Kraiburg a.Inn (alle Lkr. Mühldorf a.Inn), die Märkte Bad Endorf, Bruckmühl und Prien a.Chiemsee (alle Lkr. Rosenheim) sowie die Städte Kolbermoor (Lkr. Rosenheim), Neumarkt-Sankt Veit, Waldkraiburg (beide Lkr. Mühldorf a.Inn) und die Kreisstadt Mühldorf a.Inn. Mühldorfs Erste Bürgermeisterin Marianne Zollner (SPD) verdeutlicht jedoch: „Die rechtlichen Möglichkeiten dazu werden derzeit überprüft mit dem Ziel, im nächsten Jahr im Stadtrat beschließen zu lassen, ob es insbesondere im Altstadtbereich weiterhin erlaubt sein soll, Feuerwerkskörper abzuschießen.“ Dafür müsse die Kreisstadt die besondere Brandempfindlichkeit der Gebäude und Anlagen, zum Beispiel für jene am Stadtplatz, nachweisen. „Wir klären derzeit mit der Aufsichtsbehörde und der Feuerwehr, ob es derartige Gebäude oder Anlagen in der Stadt gibt. Mit dieser Bestätigung erhalten wir dann die Grundlage für einen Stadtratsbeschluss.“ Laut Mühldorfer Feuerwehr hat es jedoch bisher keine durch Feuerwerk verursachte Brandvorkommnisse im Innenstadtbereich gegeben. „Argumente wie Feinstaubbelastung und Müllvermeidung spielen bei der rechtlichen Beurteilung keine Rolle“, ergänzt Zollner.
In der kreisfreien Stadt Rosenheim ist wiederum für die Jahreswende erstmals das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in bestimmten Bereichen der Innenstadt aus Sicherheitsgründen verboten worden. Das Verbot betrifft das gesamte Areal mit den Holzbuden des Christkindlmarktes: Max-Josefs-Platz, Heilig-Geist-Straße – Bereich Fußgängerzone – sowie den Ludwigsplatz im Bereich des Gerinnes. Die Einhaltung der Verbote wird laut Wirtschaftsdezernent Thomas Bugl von der Polizei überwacht, Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden.
In Bad Aibling (Lkr. Rosenheim) appelliert derweil Erster Bürgermeister Felix Schwaller (CSU) an alle Einwohner der Stadt, in diesem Jahr aus Umweltschutzgründen auf das Abbrennen von Feuerwerk zu verzichten: „Wer am Morgen nach Silvester einen Spaziergang durch die Straßen Bad Aiblings macht, bekommt eine Ahnung davon, wie umweltschädlich dieses Fest Jahr für Jahr begangen wird“, sagt Schwaller. Die Feuerwerkskörper hinterließen „nicht nur sichtbare Müllberge, sondern auch Unmengen an Schadstoffen in der Luft“. Der damit verbundene Lärm belaste zudem das menschliche Gehör und versetze Tiere in Panik. Doch Silvester und Neujahr könnten auch „umweltfreundlicher“ gefeiert werden: „Wer etwa statt Böller lieber die Sektkorken knallen lässt, rutscht ökologisch sinnvoller ins neue Jahr. Exzessives Zündeln und Knallen um Mitternacht bedeutet definitiv keinen Beitrag zum Umweltschutz. Ich appelliere an Ihre Eigenverantwortung und Ihre soziale Kompetenz zum nachhaltigen Umgang mit unserer schönen Stadt, der Natur und den Menschen, die darin leben“, so Schwaller. ✻
Erstveröffentlichung
Print: Rosenheimer blick, Inntaler blick, Mangfalltaler blick, Wasserburger blick, 33. Jg., Nr. 52/2019, Samstag, 28. Dezember 2019, S. 1f., Kolumne „Leitartikel“ (Kurzfassung) [98/3/1/7].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mittwoch, 18. Dezember 2019 (Kurzfassung); ⭱ E-Paper Rosenheimer blick, ⭱ E-Paper Inntaler blick, ⭱ E-Paper Mangfalltaler blick, ⭱ E-Paper Wasserburger blick, Samstag, 28. Dezember 2019. Stand: Neujahr, 1. Januar 2025.