Verbraucherschützer warnen vor Online-Ticketmarktplätzen
Fragwürdige Geschäftsmethoden

München — Ungültige Eintrittskarten, ungenaue Lieferzeiten, un­spe­zi­fi­sche Platz­an­ga­ben: Auf der Su­che nach güns­ti­gen Ein­tritts­kar­ten für Kon­zer­te, Shows, Tanz- und Sport­ver­an­stal­tun­gen kön­nen gut­gläu­bi­ge Ver­brau­cher durch un­se­riö­se On­line-An­ge­bo­te arg ge­täuscht wer­den. Ver­brau­cher­schüt­zer war­nen des­halb ein­dring­lich vor dem Er­werb von Ti­ckets auf On­line-Ti­cket­markt­plät­zen. Vor al­lem im Vi­sier: die Platt­for­men Ti­cket­ban­de und Via­go­go. Seit letz­tem Som­mer per­so­na­li­sie­ren im­mer mehr Ver­an­stal­ter ih­re Ein­tritts­kar­ten. Fol­ge: Käu­fer, die ihr Ti­cket auf ei­nem du­bio­sen On­line-Ti­cket­markt­platz er­wor­ben ha­ben, lau­fen Ge­fahr, kei­nen Zu­tritt zum Event zu er­hal­ten. Au­ßer­dem ist nicht ge­währ­leis­tet, dass Fans ih­re Ti­ckets recht­zei­tig er­hal­ten und die­se auch der ge­wähl­ten Ka­te­go­rie ent­spre­chen.

Professionelles Design, seriöser Eindruck, verlockende Preise: On­line-Ti­cket­markt­plät­ze se­hen re­gu­lä­ren Vor­ver­kaufs­stel­len zum Ver­wech­seln ähn­lich. Ti­cket­ban­de (TB) aus Land­graaf in den Nie­der­lan­den et­wa pro­fi­liert sich als „un­ab­hän­gi­ge Ti­cket­such­ma­schi­ne“, die al­le Ein­tritts­kar­ten auf ih­re Echt­heit hin über­prü­fe, nur Ori­gi­nal­ti­ckets lie­fe­re und „Best-Preis-Ga­ran­tie“ bie­te. Via­go­go wie­de­rum be­zeich­net sich selbst als „glo­ba­le On­line-Platt­form“, auf der Ti­ckets für Live-Sport- und Mu­sik­ver­an­stal­tun­gen so­wie Events im Un­ter­hal­tungs­be­reich er­wor­ben wer­den kön­nen. Der „welt­größ­te Se­kun­där­markt­platz“ für Ti­ckets von Live-Events mit Sitz in Genf wol­le ei­ner­seits Käu­fern ei­ne gro­ße Aus­wahl an Ti­ckets für Ver­an­stal­tun­gen auf der gan­zen Welt an­bie­ten, an­de­rer­seits Ver­käu­fern von übrig­ge­blie­be­nen Ti­ckets so­wie gro­ßen mul­ti­na­tio­na­len Event­ver­an­stal­tern auf der Su­che nach ho­her Reich­wei­te hel­fen.

Mit anderen Worten: Solche Marketingplattformen sind wie Ebay lediglich Ver­mitt­lungs- und Ver­kaufs­sys­te­me, auf de­nen die ei­gent­li­chen Ver­käu­fer mit den po­ten­ziel­len Kun­den in Kon­takt tre­ten könn­ten. So hebt TB in sei­nen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (AGB) her­vor, „in kei­nem Fall Ver­trags­par­tei in Be­zug auf die Ti­cket­such­ver­trä­ge“ zu sein. Die­se wür­den „aus­schließ­lich pri­vat­au­to­nom“ ge­schlos­sen zwi­schen den Nut­zern der Platt­form und de­ren Kun­den. TB stellt über sei­ne Platt­form „le­dig­lich die tech­ni­schen Voraus­set­zun­gen zur Er­mög­li­chung der In­ter­ak­tion von Nut­zern mit de­ren Kun­den“ zur Ver­fü­gung. Via­go­go er­klärt in sei­nen „Nut­zungs­be­din­gun­gen“, die Platt­form er­he­be „kei­nen An­spruch auf das je­wei­li­ge Ti­cket und die ei­gent­li­che ge­schäft­li­che Ab­wick­lung er­folgt zwi­schen Käu­fern und Ver­käu­fern“. Das Un­ter­neh­men ga­ran­tie­re, dass be­zahl­te Ti­ckets recht­zei­tig vor der Ver­an­stal­tung zu­ge­stellt wür­den. Im „höchst un­wahr­schein­li­chen Fall“, dass die zum Kauf an­ge­bo­te­nen Ti­ckets doch nicht ge­lie­fert wur­den, prü­fe Via­go­go „nach ei­ge­nem Er­mes­sen“ ver­gleich­bar be­preis­te Ti­ckets, bie­te sie oh­ne Mehr­kos­ten an oder er­stat­te den Be­trag.

Kritik an Geschäftspraktiken

Das Technik- und Gamesportal GIGA spart jedoch nicht mit Kritik an TB. „Grund­sätz­lich muss man sa­gen, dass der ge­werb­li­che Ti­cket­han­del ein schmut­zi­ges Ge­schäft ist“, führt Marco Kratzenberg aus und er­klärt, dass bei TB Ti­ckets teil­wei­se zum Drei­fa­chen des ei­gent­li­chen Prei­ses ver­kauft wer­den. „Wenn dann noch über­höh­te ‚Ser­vice­ge­büh­ren’ da­zu kom­men, ist für vie­le ei­ne Schmerz­gren­ze er­reicht.“ Und die Ver­brau­cher­zen­tra­le Bayern hat den On­line-Ti­cket­markt­platz Via­go­go be­reits im Früh­jahr 2018 we­gen sei­ner Ge­schäfts­prak­ti­ken vor dem Land­ge­richt Mün­chen I ver­klagt. Nach An­sicht der Ver­brau­cher­schüt­zer in­for­miert das Un­ter­neh­men nicht trans­pa­rent über sein Ge­schäfts­mo­dell, wirbt zu­dem mit ei­ner „100-pro­zen­ti­gen Ga­ran­tie“, die es in den AGB je­doch stark ein­ge­schränkt hat­te. Das ZDF-Ma­ga­zin „Fron­tal 21“ zeigt nun auf, dass auf der Platt­form auch Groß­ver­käu­fer mit frag­wür­di­gen Me­tho­den Kas­se ma­chen. Rechts­an­walt Felix Holzhäuser zu­fol­ge wer­den bei Via­go­go im Ge­gen­satz zu den Aus­füh­run­gen in den AGB re­gel­mä­ßig Kar­ten rechts­wi­drig wei­ter­ver­kauft. Da­durch wür­den die Käu­fer be­wusst in die Ir­re ge­führt. Vie­le Fuß­ball­ver­ei­ne wür­den des­halb über Via­go­go ge­kauf­te Ti­ckets nicht mehr an­er­ken­nen und den Zu­tritt ver­wei­gern, wenn die Fans kei­ne neuen Kar­ten kauf­ten. Via­go­go hält dem ent­ge­gen: „Je­der hat das Recht, mit Ti­ckets zu han­deln.“ Ein Wei­ter­ver­kaufs­ver­bot be­schrän­ke Kun­den­rech­te.

Ein ehemaliger Verkäufer des Sekundärmarktplatzes schil­der­te ge­gen­über „Fron­tal 21“ zu­dem, ein Groß­teil der auf Via­go­go an­ge­bo­te­nen Ti­ckets wür­de von pro­fes­sio­nel­len Händ­lern ver­kauft, „die da­mit ih­ren Le­bens­un­ter­halt ver­die­nen“. Ei­ni­ge die­ser Händ­ler seien In­ha­ber von Vor­ver­kaufs­stel­len, hät­ten Zu­griff auf Kar­ten zu Ori­gi­nal­prei­sen und ver­kauf­ten sie über die Platt­form teuer wei­ter. Da­zu teil­te Via­go­go mit: „So­lan­ge die Ti­ckets le­gal er­wor­ben wur­den, in­ter­es­siert es uns nicht, wie vie­le Ti­ckets ei­ne Per­son ver­kauft – sei es der durch­schnitt­li­che Fan, der Groß­händ­ler oder der Event­ver­an­stal­ter.“ Um die­sem Ge­ba­ren Ein­halt zu ge­bie­ten, wer­den nun im­mer mehr Ein­tritts­kar­ten per­so­na­li­siert, da­mit der In­ha­ber nach­wei­sen muss, dass er das Ti­cket selbst er­wor­ben hat oder den ur­sprüng­li­chen Käu­fer kennt.

Wohlgemerkt: Der Handel über On­line-Ti­cket­markt­plät­ze ist in Deutsch­land nicht ver­bo­ten. Das Bun­des­mi­nis­te­rium für Jus­tiz und Ver­brau­cher­schutz be­ob­ach­tet die Ent­wick­lun­gen auf dem Zweit­markt zwar, plant der­zeit aber kei­ne ge­setz­ge­be­ri­schen Maß­nah­men. 


Erstveröffentlichung

Print: Ro­sen­hei­mer blick, Inn­ta­ler blick, Mang­fall­ta­ler blick, Was­ser­bur­ger blick, 32. Jg., Nr. 12/2019, Sams­tag, 23. März 2019, S. 1/8, Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ [187/3/1/8]; Inn-Salz­ach blick, 10. Jg., Nr. 12/2019, Sams­tag, 23. März 2019, S. 1/3, Ko­lum­ne „Leit­ar­ti­kel“ (Kurz­fas­sung) [126/5/1/8].
Online: ⭱ blick-punkt.com, Mitt­woch, 20.  März 2019; ⭱ E-Paper Ro­sen­hei­mer blick, ⭱ E-Paper Inn­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Mang­fall­ta­ler blick, ⭱ E-Paper Was­ser­bur­ger blick, ⭱ E-Paper Inn-Salz­ach blick, Sams­tag, 23. März 2019. Stand: Neu­jahr, 1. Ja­nu­ar 2021.
 

Dr. Olaf Konstantin Krueger M.A.

Digitaljournalist – Digitalpolitiker